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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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alles ausgeheilt war. Und damit, so wurde mir auch klar, hing meine Schleimbeutelentzündung zusammen, da ich unbewußt, um den Fuß rechts zu entlasten, die Kraft auf das linke Bein verlegt hatte, dieses damit überfordert war und sich entzündete.
    Im nächsten Jahr, 2007, lief ich auf der Via Tolosana 620 Kilometer an einem Stück ohne die geringsten Beschwerden, allerdings mit einem deutlich leichteren Rucksack mit nur acht Kilogramm. Ich hatte gelernt.
    Bei einem Kaffee denke ich über meine Zukunft nach. Ich will immer noch nicht aufgeben, wie die Ärztin mir geraten hat. Ich werde versuchen, noch drei kurze Etappen zu machen, solange ich überhaupt noch gehen kann. Morgen fahre ich mit dem Taxi nach Linares im Norden, aus der großen Stadt hinaus. Dann werde ich versuchen, 10 Kilometer bis Cea zu laufen. Am nächsten Tag 9 Kilometer bis in das Zisterzienserkloster „Monasterio Santa María la Real de Oseira“, das ich unbedingt besuchen und dort übernachten will. Am nächsten Tag 11 Kilometer bis Castro Razón. Ich werde mich von allem überflüssigen Gepäck befreien, das bedeutet auch, keine Siesta mehr mit Brot, Käse, Schinken und Rotwein. Nur Wasser und Orangen. Ich werde diesen Weg beenden. Zumindest bis Castro. Dann nehme ich am 26. Juni den Bus nach Santiago. Vinceremos!
    Vor der Kathedrale spricht mich noch einmal der Küster an und bedauert, daß ich in der Kirche bestohlen worden sei. Er sagt, daß seien nicht die Gläubigen gewesen, die in die Kirche kommen, um zu beten, sondern anderes Gesindel – mala gente – das um die Kirche herumlungere. Ich weiß schon, wen er meint, die Rotweinbrüder am Brunnen.
    Noch einmal tauche ich ein in das südliche, heitere Leben, ich finde meinen kleinen Platz wieder, wo ich gestern saß unter den Studenten, nur mit Mühe bekomme ich einen Platz, es ist alles besetzt an diesem warmen Abend. Ich tauche noch einmal ein in die Menge der fröhlichen jungen Leute, esse Champinones al ajillo, trinke einen Ribeiro, rauche meine Zigarre. Ich habe Angst vor morgen. Werde ich es schaffen? Ich muß es versuchen. Wenigstens bis zum Kloster. Drei winzige, kurze Etappen. Ich bin nun in der großen Stadt ganz allein. Zum ersten Mal seit langem höre ich wieder Musik.

Ein trauriges Wiedersehen

    Freitag, der 23. Juni, von Ourense
    nach Santiago de Compostela
    42. Reisetag

    Ich habe den Kampf verloren. Diesmal war das Böse stärker, auch Santiago konnte mich nicht retten. Die Schmerzen haben mich besiegt. Ich sagte mir heute Morgen, als ich die Herberge verließ: „Wenn du den Weg über die Straße nach drüben auf die andere Seite zur Cafeteria ohne Schmerzen am Stock schaffst, dann kannst du auch die 15 Kilometer bis Cea laufen.“
    Aber ich konnte es nicht. Es war ein Dornenlauf. Ich kam kaum über die Straße, bevor die Autos bei Grün wieder losfuhren. Aus und vorbei. Die Schmerzen haben mich besiegt. Ich werde also doch mit dem Bus nach Santiago fahren. Adiós, mein Kloster, es sollte nicht sein. Ich habe fast alles erreicht. Ich bin 800 Kilometer zu Fuß gelaufen bis kurz vor das Ziel. 100 Kilometer fehlen noch. 100 lächerliche Kilometer. Ich bin natürlich enttäuscht, ich wollte fröhlich und triumphierend in fünf Tagen in Santiago einwandern, wie letztes Jahr, wie 2000. Viene cantando l’alegría. Müde zwar, ausgepowert, aber doch stolz auf mich, stolz, mein Gelübde erfüllt zu haben, den Weg bezwungen zu haben, mein Ziel, das ferne, nun doch erreicht zu haben.
    Nun bin ich enttäuscht. Enttäuscht, daß ich nicht das erreicht habe, was ich mir vorgenommen hatte, an diesem Tag vor zwei Monaten, in der Kathedrale von Sevilla, wo die Priester in ihrem roten Ornat mit ihren Morgengebeten mich entließen auf den langen Weg zu meinem Heiligen.
    Nun habe ich meinen Teil des Vertrages nicht erfüllt, den ich schloß mit Jakob, zu pilgern an sein Grab, damit er meiner Tochter helfe, wie schon einmal im letzten Jahr. Diesmal war das Böse stärker und ließ mich nicht. Aber auch Santiago hat unseren Vertrag nicht gehalten, ich gelobte, daß ich zu seinem Grab komme, und er, daß er mich schütze auf meinem langen Weg zu ihm. Auch er hat den Kampf verloren, er kann nicht immer Matamoros sein. Er wird mich auch so in seine Arme nehmen. Ich habe es zumindest versucht.
    Ich werde mir noch einige schöne Tage am Meer machen, in Fisterra oder Muxía. Oder ich fliege einfach zwei Tage früher zurück. Das muß ich jetzt erst einmal sich entwickeln lassen. Erst muß ich

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