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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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führende Macht unter den christlichen Königreichen des Nordens, bis die Vorherrschaft an das noch junge Königreich Kastilien überging. Beide Reiche vereinten sich im Jahr 1230 und setzten gemeinsam die Eroberung des Südens der Iberischen Halbinsel fort.  
    Hinter Puerto de Béjar verläßt die Via de la Plata die Autobahn, die Carretera und die Eisenbahn, die alle den niederen Paßübergang nutzen, und schwingt in dicht bewaldetem Tal hinab auf die kastilische Meseta. Río Cuerpo de Hombre heißt der schäumende Fluß, der aus den Bergen.
    In dem stillen Wald kommt mir ein Schwadron junger Burschen auf lärmenden, knallbunten Quads mit aufwirbelnden Staubwolken und infernalischem Geheul entgegen, wie eine Erscheinung aus dem „Krieg der Sterne“, mit farbigen Helmen, schwarzen, eng anliegenden Lederanzügen mit roten und gelben Schnallen und Gürteln, wie aus einem Science Fiction Film.
    Die schwarzen Visiere sind herabgezogen, die Augen und die Gesichter sieht man nicht, mit schwarzen Handschuhen stehen sie auf ihren gigantischen Maschinen und heulen kreischend durch den Wald. Entsetzt springe ich schutzloser Wanderer zur Seite und starre das infernalische, weltferne Schauspiel an.
    Was die wohl an diesem stillen Samstagnachmittag von dem schönen Kastanienwald sehen, dem stillen Tal, den grünklaren Höhenzügen? Furchtbar, wie die Menschen geprägt werden von Film und Fernsehen! Was sie dort sehen, spielen sie nach. Früher waren die edlen Ritter auf ihren Pferden die Vorbilder, heute diese unmenschlichen Monster aus den kranken Hirnen der Filmemacher Hollywoods. Eine kaputte Welt, die jeglichen Kontakt zu den reinen feinen Schönheiten der Welt verloren hat und nur die finsteren, dunklen Mächte des Bösen spielt.
    Schaudernd warte ich in dem beißenden Staub und Qualm, bis die blaue Luft wieder rein und klar wird, mein Herz sich beruhigt hat, und versuche, das Höllenspektakel zu vergessen. Still wandere ich auf der schönen, alten Straße hinab durch den kühlen Kastanienwald, hoch oben über mir liegt der weiße, alte Ort Béjar mit seinen mittelalterlichen Häusern, eine Bergfeste am steilen Hang, darüber am hohen Gipfel liegen noch weiße Schneereste im grauen Dunst.
    Hinter der alten Steinbrücke wird das Land wieder gelb und karstig, mich überfällt die lähmende, schwüle Hitze Kastiliens. Der kühle Wind der Extremadura vom Vormittag ist eingeschlafen, hier steht die Luft und kocht. Ich schleppe mich auf staubiger Piste durch eine Steppe mit rund geschliffenen Granitblöcken, der Schweiß läuft mir aus allen Poren. „Nueve meses de invierno y tres meses de infierno“ – „Neun Monate Winter und drei Monate Hölle“. Jetzt beginnt die Hölle.
    Wie erlöst bin ich, als gleich das erste Haus in La Calzada de Béjar die Herberge ist. La Calzada de Béjar bedeutet, daß der Ort an der Römerstraße – Calzada – liegt, während der große Ort Béjar oberhalb hoch oben am Berg liegt. Mit einem holländischen Pärchen entspanne ich mich vor der Herberge bei einem kühlen Bier. Bukolischer Frieden, auf der Wiese gegenüber grasen ruhig die Kühe.
    Wäsche gewaschen, auf die Leine gehängt, die heiße Sonne trocknet alles in einer Stunde. Dies ist ein Dorf ohne Verkehr, ohne Autostraße, am Ende oder Anfang Kastiliens. In der engen Gasse gibt es die einzige Bar des Ortes, Bar Tele Club, davor einige weiße Plastikstühle, links und rechts steht allerlei Ackergerät vor den Hofeingängen der Bauernhöfe. Die Häuser an der schmalen Straße sind weiß, alt und etwas schmuddelig, zweigeschossig, mit weit herabgezogenen Dächern. Vor dem oberen Geschoß hängen etwas schief auf morschen Balken hölzerne Balkone, von denen prächtige Blumenkaskaden in weiß und rot hinabfallen. Ich bin jetzt in Kastilien.
    Ich sitze allein an meinem Tisch, die Bauern etwas entfernt, wie immer, zusammen. Am Nachbartisch sitzt ein Typ mit schwarzem Kraushaar, Hakennase, offenem Hemd und Silberkreuz auf der braunen, behaarten Brust. Sechs edle Pferde mit langen, weißen Schwänzen und Mähnen werden vorbeigetrieben, Nachkommen der Araberpferde aus vergangenen, großen Zeiten. Es ist halb sieben und immer noch gnadenlos heiß und schwül. Der kühle Abendwind Extremaduras fehlt. Die Bauern unterhalten sich laut über die Störche auf dem Kirchturm, die emsig ein- und ausfliegen, die aufgesperrten Schnäbel ihrer piepsenden Brut zu stopfen. Immer mal wieder kommt einer vorbei – „Holá“ – schüttelt die derben

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