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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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Extremaduras, hier wohnt die Armut.
    Doch am Ende der langen Straße, kurz bevor sie aus dem Ort hinausführt, wie sie hineingeführt hat und sich wieder in der Steppe verliert, liegt eine weiße Herberge unter rotem Ziegeldach – das Pfarrhaus des Don Blas. Ein deutscher Hospitalero empfängt mich. Ich schlafe unter dem weit ausladenden Dach mit mächtigen Holzbalken. Man muß aufpassen, daß man sich den Kopf nicht stößt an den niedrigen Hölzern, so flach ist der Dachstuhl. Don Blas begrüßt uns – ein junger Mann in Polohemd und brauner Hose. Ich bin überrascht – ich hatte mir einen ehrwürdigen, älteren Herrn in schwarzer Soutane vorgestellt. Don Blas ist weit über die Grenzen bekannt, ein äußerst engagierter Mensch, der sich rührend um den Weg und die Pilger kümmert.
    Er zeigt uns die schöne Santiagokirche aus dem 15. Jahrhundert, die allein am Ortsende steht. Eine Hallenkirche aus weißgrauem Granit mit mächtigem, hölzernem Dachstuhl als Decke. Der Chor hat ein gotisches Gewölbe. Versammelt um den Altar sind die Heiligen, lebensgroß in Holz: Maria Magdalena, Mathäus, Petrus und auch Santiago als Peregrino. Christus hängt darüber am Kreuz, ebenfalls aus Holz. Der Fußboden ist aus schwarzen Schieferplatten, die Gräber des Dorfes. Don Blas zeigt uns unter der Orgelempore zwei Räume mit alten Holzaltären und Bildern mit verdunkelten Farben, die restauriert werden sollen. Im Hof der Herberge stehen alle Arten von zweirädrigen Pferdekarren aus verschiedenen Zeitaltern, aus Holz, aus Eisen, bemalt, vergoldet, mit und ohne Räder, die Don Blas sammelt und restauriert. Wieder so ein Ort, wo ich gerne bleiben möchte für einen oder zwei Tage. Ein Bayer, der angeblich krank ist, ist schon eine Woche hier.
    Zum Abendessen gehe ich ins einzige Gasthaus des Ortes. Die dunkle Bar sieht aus wie in alten Westernfilmen. Sonntagabend, alle Männer des Dorfes hocken an der Bar, ich zähle zwanzig, die alten mit Schlägermützen, alle mit gewienerten Schuhen. Im Fernsehen läuft das Autorennen von Monaco, eine perverse, widerliche Show mit wahnsinnigen Männern in wahnsinnigen Maschinen, die mit ohrenbetäubendem Geheul die engen Kurven zwischen den Hochhäusern durchjagen. Ein kranker Sport in einer kranken Stadt. Die Bäuerchen hingegen finden diese große, laute Welt phantastisch und kleben mit ihren Augen an den schleudernden Boliden. Wie edel ist dagegen ein Stierkampf. Welche Kultur! Hier die Alte, dort die Neue Welt. Den Bauern ist es wohl egal. Sie schauen beides.
    Wir essen wieder alle gemeinsam im Comedor, den Wein gibt es in quadratischen, braunen Flaschen. Die Holländer gehen wie immer früh, ich sitze noch lange mit Marguerita vor der Bar auf wackligen, roten Plastikstühlchen. Sie erzählt mir von ihrem Haus in der Toskana und bald sind wir beide in Italien bei unseren Erinnerungen. Wo ihr Haus aber liegt, will sie mir nicht verraten, sie möchte dort keinen Besuch bekommen. Ich habe da kein Problem bei mir in Ligurien.
    Um zehn Uhr setzt der Bauer sich auf seinen Traktor, der so hoch ist wie die Häuser und donnert qualmend und stinkend davon. Der junge Mann am Nachbartisch kam in einem schwarzen BMW 350 ti und lümmelt sich in T-Shirt und Jeans vor seinen Mädels.

Durch ein endloses Land

    Montag, der 29. Mai, von Fuenterroble de Salvatierra
    nach San Pedro de Rozadas
    29,1 Kilometer, gesamt 476,7 Kilometer
    22. Wandertag

    Heute Morgen stehe ich wieder um sechs Uhr auf. Es wird ein langer, heißer Weg werden. In der Herberge gibt es einen Kaffeeautomaten, der für 30 Cent einen Becher heißen Kaffee ausgibt. Dazu esse ich die süßen Kekse, die ich jetzt immer bei mir habe. Das muß zum Frühstück reichen. Die schönen Bars, wo man morgens schon um sieben Uhr frühstücken konnte, gibt es hier in Kastilien nicht mehr. Ich habe den Süden hinter mir gelassen. Die Holländer und Marguerita gehen schon um halb sieben los. Sie sind immer schneller als ich. Zusammen laufen wir ja nicht. Jeder geht seinen eigenen Weg, seinen eigenen Schritt. Abends treffen wir uns ja sowieso alle wieder in der nächsten Herberge.
    Noch nie traf ich einen Pilger, der so schnell seinen kleinen Rucksack gepackt hat wie Marguerita. Ich bewundere und beneide sie, mit wie wenig sie den gleichen Weg schafft mit ihrem Achtkilo-Rucksack wie ich mit meinem Dreizehnkilo-Rucksack. Ich muß noch bescheidener werden auf meinen nächsten Wanderungen! Sie braucht zehn Minuten, dann hat sie gepackt und nichts wie weg. Da

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