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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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wieder zusammen geführt, er wird schon wissen, wie es weiter geht. Und er weiß es auch.
    Der freundliche Wirt, froh, endlich Gäste gefunden zu haben, führt uns durch die verwinkelten Gassen zu den Herbergseltern, über roh betonierte Straßen mit unverputzten, roten Ziegelmauern und Wänden aus großen, rohen Flußkieseln, fußballgroß, mit getrocknetem Lehm verschmiert, den der Winterregen tief ausgewaschen hat. An einem Ende der Wasserturm aus Beton, grellweiß gekalkt, am anderen Ende die winzige, braune Kirche mit der bescheidenen Glockenwand und zwei Glocken. Telefon- und Stromleitungen an Holzstangen zerhacken kreuz und quer den seidenblauen Abendhimmel. Schwer fällt es uns zu verstehen, wie man nur leben kann in dieser grenzenlosen Einöde ringsum und dem verkommenen Chaos dieses winzigen Ortes.
    Wahrscheinlich muß man hier geboren und nie woanders hingekommen sein. Verstehen kann ich schon, daß viele Spanier aus diesen Dörfern ihre Heimat verlassen haben und nun in unseren sauberen, aufgeräumten, gepflegten Städten leben. Für sie bestimmt ein Paradies.
    Es gibt wahrhaftig eine Herberge in diesem Nest, von der der Führer weiß: „Es gibt auch hier einen Raum, in dem Pilger auf dem Boden schlafen können; immerhin gibt es eine warme Dusche“. Da sollte er sich aber gewaltig irren. Seitdem ist manches geschehen. Die Wirtin führt uns durch die verstaubten, verwinkelten Gassen des Ortes, hinter einer schmutzigen Mauer öffnet sich ein Paradies. Draußen sieht es aus wie in der Dritten Welt, drinnen stehen schattige Feigen- und Walnußbäume, strotzen saftige rote und weiße Rosen, prunken lilarote Bougainvilleen in tropischer Pracht. Draußen die Hölle, drinnen ein Paradies. Wo Wasser ist, ist Leben in diesem Land. Wir setzen uns auf weiße Stahlrohrstühlchen, die Herbergsmutter begrüßt uns lachend, wir bekommen die Stempel in unser Credencial, ein Glas kühles Wasser auch, dann geleitet sie uns die Straße hinunter zu einem gepflegten Haus mit kühlen, weißen Räumen unter braunen Holzbalkendecken.
    Wer hätte eine solche Herberge in diesem „lausigen“ Ort erwartet? Das Äußere täuscht hier im Süden. Außen, das ist das Öffentliche, um das sich niemand kümmert, weil das Land verarmt ist und der Südländer kein Sozialgefühl hat. Innen, das ist das Private, das Eigene, das liebevoll gepflegt und gehegt wird. Die Möbel mit Spitzendeckchen, das Sofa mit gehäkelten Kissen, Heiligenbilder an der Wand, Kristallgläser in der Glasvitrine, die Steinfußböden spiegelnd und gewachst, als wenn man von ihnen essen könnte. Das ist in Spanien so, in Italien und Griechenland ebenso. Der Staat sind die anderen, die da oben, in meinem Haus bin ich der König.
    Wir pflegen uns, wir ruhen uns aus, dann geht’s zurück in die Bar, wo uns die Wirtin schon erwartet. Heute gibt es etwas zu verdienen und was für liebe Menschen sie da gefunden hat, Alemanes, Holandeses, Franceses, stolz präsentiert der kleine Sohn seine kümmerlichen Englischkenntnisse. Die Bar besteht nur aus einem einzigen, halbdunklen Raum, die Fenster stehen offen, die Blechläden sind geschlossen, wie stets hier im Süden. Draußen vor den Fenstern rauscht die Carretera vorbei, alle zwei Minuten ein donnernder Camión, daß die Fenster klirren und die Stühle wackeln. Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es nur auf den Schildern, die Fahrer kümmert es nicht, Polizei gibt es hier auch nicht.
    Der Raum ist dunkelblau gestrichen, es gibt zwei Tische und zwanzig blau bezogene Stühle. Die Wirtin bereitet uns ein schmackhaftes Mahl, wie immer in diesen Bars gibt es einen grünen, frischen Salat, nachher erstaunlich zartes Rindfleisch, dazu einen trockenen Wein aus namenloser Flasche. Pilgermahl. Ich bin immer wieder überrascht, welch einfaches, gut schmeckendes Essen diese Frauen für uns Pilger bereiten. In die Küche schaue ich lieber nicht hinein. Wir gehen früh zu Bett, es ist auch nicht so gemütlich in der Bar und müde sind wir auch.

Das Zisterzienserkloster

    Freitag, der 9. Juni, von Riego del Camino
    nach Tábara, 19,5 Kilometer,
    gesamt 622,4 Kilometer
    29. Wandertag

    Jean hat den Wirt überredet, uns heute Morgen mit seinem Wagen zum Kloster von Moreruela zu fahren, das wir sonst zu Fuß nicht erreicht hätten. Dann wollen die Drei über Granjo de Moreruela weiter in Richtung Tábara fahren, um unterwegs irgendwo auszusteigen und noch ein wenig zu Fuß weiter zu laufen. Sie pilgern anders als ich, nicht so konsequent,

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