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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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verschlossenen Land. In seinem Brandy steckt die Seele dieses Landes.
    Außerdem ist ja auch meine Wanderung für mich harte Arbeit. Nicht, daß ich nur mit widrigen Wegen, staubigen, heißen Pisten, der erbarmungslosen Sonne kämpfe, auf meinem Weg mache ich ja auch ständig Notizen in mein kleines Büchlein, das ich in der Hosentasche trage, was mir so auffällt unterwegs, Namen, Gedanken, Orte, Träume. Dazu fotografiere ich mit meiner schweren Spiegelreflexkamera alles, was mich so erregt unterwegs, die Natur, durch die mein Weg führt, Häuser, Kirchen, Klöster, die Einsamkeit und Endlosigkeit, Blumen und Pflanzen, manchmal auch Menschen und Tiere, duchschnittlich einen Film pro Tag mit 36 Aufnahmen. Vor und zurück zur Motivsuche, Blendenwahl, Filterwahl, all das für meine Lichtbildervorträge nach meinen Wanderungen zu Hause, um die Menschen teilhaben zu lassen an den Ländern, durch die ich wandere. Un dann sitze ich am Abend vor oder nach dem Abendessen ja noch an meinem Tagebuch, in das die Notizen des Tages, alle meine Erlebnisse und Erinnerungen einfließen für meine Berichte und mein Buch.
    Ja, und dann, wenn ich ganz leer und ausgelaufen bin, dann brauche ich meinen Brandy. So ist das.
    Ich gehe schon mal voran, wir werden uns noch wiedersehen. Der Weg ist atemberaubend, die Ausblicke über die spiegelnde Seenfläche überwältigend, mein Auge trinkt die lang entbehrte romantische Landschaft, der Weg ist nur ein Trampelpfad, nur mit äußerster Konzentration und Anspannung zu gehen, er führt hinunter zum Seeufer, wo ich mich alsbald durch nasses Gras taste, 10 Zentimeter höher als die Wasserfläche. Bei Hochwasser ist der Weg weg. Unter mir im klaren Wasser erkenne ich die geisterhaften Umrisse der ertrunkenen Pilgerbrücke. Dann geht es den alten Weg steil hinauf, in Serpentinen durch gelbes Gras, hoch auf die Anhöhe, wo ich schnaufend Rast mache. Lange war ich nicht mehr so steil aufgestiegen. Bequem sitze ich auf einem warmen Felsen, von unten klettern zwei Pünktchen den Hügel empor, es sind Pierre und Hilmar, den dritten Punkt, Nicole, sehe ich nicht. Hilmar schiebt sich als erster über die Felskante, dann schnauft Pierre wie ein Bär heran, er trägt zwei Rucksäcke, seinen eigenen auf dem Rücken und Nicoles auf der Brust.
    Ich erfahre die Tragödie: Nicole ist gestürzt, auf ihr Gesicht gefallen und verletzt. Pierre, der Brave, hat ihre Last übernommen und für sie den Berg hochgeschleppt. So ein Bulle. Dann kommt auch sie, ein Taschentuch vor das blutige Gesicht gepreßt, der Rucksack hat sie beim Stolpern zu Boden gedrückt. Arme Nicole. Doch sie lacht schon wieder. Halb so schlimm. Hilmar verarztet sie mit Feuchtetüchern und einer Wundsalbe. So schnell kann das Wandern gefährlich werden, einen Moment lang nicht aufgepaßt, einen der Millionen Schritte nicht kontrolliert, ein Stein gerollt, und wir werden wieder zu Würmern, die im Staub liegen.
    Ich lasse die Drei vorausgehen und wandere allein und fröhlich, befreit von der erdrückenden Monotonie der Meseta, durch dieses liebliche Land. Es ist wieder wie in Andalusien, nur vier Wochen später, die breit ausladenden, schwarzgrünen Schirme der Steineichen über goldgelb flirrendem Gras, darüber der ewig blaue Himmel.
    Der Weg schlängelt sich staubtrocken durch das weite Land, unter einem Baum im Schatten warten die Drei auf mich. Pierre, der Kanadier, hat sich aus seinem Land ein schwarzes Moskitonetz mitgenommen und zum Schutz gegen die lästigen, quälenden Fliegen über sein Gesicht gezogen wie in seiner Tundra gegen die Mücken. Eine kleine Pause, wir erzählen ein wenig aus unserem Leben, dann muß ich weiter, sie bleiben noch, Nicole ist doch ziemlich erschöpft von ihrem Unfall.
    Das Land wird wieder trockener, von der Hügelkuppe blicke ich in das lange, weite, fruchtbare Tal von Tábara, durch das die Piste eine rostrote, endlose Spur zieht. Blauende Höhenzüge tauchen im Westen und Norden auf, zarte Schatten nur, verkünden sie doch das nahende Gebirge. Durch sumpfiges Tal erreiche ich den Ort, von weitem grüßt schon der einsam stehende Wehrturm von San Salvador, dräuende Romanik aus dem 11. Jahrhundert, Rest eines ehemaligen größeren Klosters, eine wuchtige gelbbraune Masse, Rundbogenfenster durchstoßen den massigen Kopf unter rotem Ziegeldach. Auch dies ein Wächter am Weg.
    Die Herberge liegt natürlich wieder ganz am anderen Ende der Stadt, hoch auf dem Hügel unter dem Wasserturm. Heute sind einige Pilger

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