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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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nicht so eifrig und ausdauernd. Sie sind nicht so engagierte Jakobspilger. Für sie bedeutet Wandern Lust und Freude, für mich bedeutet es, den Weg zu machen, so wie mein Heiliger es mir vorschreibt, Kilometer um Kilometer zu Fuß, eine heilige Pflicht, ein Auftrag. Deshalb muß ich ja auch so viel leiden. Sie nehmen lieber morgens den Bus oder das Taxi, lassen sich den halben Weg fahren und laufen den Rest der Strecke zu Fuß. Das ist nicht meine Art, aber wenn ich die Freunde nicht verlieren will, muß ich schon ihren Weg gehen.
    Pünktlich um acht Uhr packen wir uns und unsere vier Rucksäcke kreuz und quer in den schon etwas ältlichen Wagen, der knarrend und ächzend in die Knie geht. Dafür fährt er auch nicht so schnell und schlingert ein wenig über die Carretera. In Granja biegen wir ab auf eine winzige, holperige Landstraße und tauchen bald ein in einen Wald mit richtigen, grünen Bäumen. Der erste Wald seit zwei Wochen! Es ist frisch und kühl an diesem frühen Morgen, auf einer Lichtung flammt ein roter Diamant in der aufgehenden Morgensonne, himmelwärts aufragende Wände mit gotischen Spitzbögen, eine massige romanische Apsis mit Chor, Zwerchgaden und einem Kapellenkranz, sorgsam gefügt aus rotbraunem Sandstein, der jetzt zu dieser frühen Morgenstunde golden brennt vor dem nachtblauen Himmel. Rundfenster über Rundfenster, die Friese aus umlaufenden Balkenköpfen, schlichte, einfache, frühe Romanik. Durch die leeren Öffnungen der Fenster strahlt der tiefblaue Morgenhimmel, eine stolze Ruine nur ist übrig geblieben von Spaniens ältestem Zistersienserkloster, das hier 1131 eingerichtet wurde. In seiner Ruhe und menschenleeren Einsamkeit strahlt es immer noch Adel und Größe aus, Gottes Pracht auf Erden, verlassen seit Jahrhunderten in der schweigenden Stille der Wälder. Wir streifen um das Bauwerk herum durch kniehohes, gelbes Gras, fotografieren, streichen mit den Händen über die kühlen, samtigen, glatten, goldenen Sandsteine.  
    An den beiden Klöstern der letzten zwei Tage erkennen wir die Bedeutung der Via de la Plata als große Völkerstraße, die Mönche waren die ersten, die kamen im Gefolge der christlichen Ritter, die die Mauren vor sich hertrieben. Sie suchten sich die schönsten Plätze aus in diesem noch menschenleeren Land, in den bewaldeten Hügeln oberhalb des Río Esla, schlugen die Bäume, rodeten, legten Pflanzungen und Weinberge an und beherrschten von nun an die Bauern, die die Ritter aus der Gewalt der Mauren befreit hatten. Ora et Labora – Bete und arbeite – und doch errichteten sie alsbald diese prächtigen Gotteshäuser zur Ehre ihres einzigen Gottes. Beide nun seit Jahrhunderten zerfallen, das Castrorafe der Jakobusritter ein zerstörtes Trümmerfeld, Moreruela eine leerstehende gigantische Ruine mit toten Augenhöhlen. Sic transit gloria mundi!
    Gern wäre ich jetzt hier allein geblieben, hätte die Mauern und Kapellen durchstreift, mich unter einen der mächtigen Bäume gesetzt und in den aufdämmernden Morgen geträumt, der Jahrhunderte gedacht, die vergangen sind und verschwunden im Mahlen der Zeit, die Glocken gehört und die Gesänge der Zisterziensermönche. Unser Fahrer drängt, er will bald wieder nach Hause. Auch meine drei Freunde haben es eilig, die Bilder sind in ihren digitalen, kleinen Kameras, für Traum und Meditation haben sie keinen Sinn.
    Wehmütig scheide ich von diesem verlorenen Paradies. Immer war ich so traurig glücklich auf diesen einsamen, verlassenen Klosterhöfen, allein mit mir, meinem Gott und der Unendlichkeit der Geschichte. Wir holpern wieder zurück nach Granja. Granja de Moreruela ist ein Scheideweg. Hier trennt sich die Via de la Plata von dem Mozarabischen Weg. Dieser kommt eigentlich von Granada über Córdoba und Mérida, folgt dann der Via de la Plata bis Granja und biegt dann nach Westen ab, während die Via de la Plata nach Norden bis nach Astorga führt, wo sie auf den Camino Francés – den großen Jakobsweg von Burgos und León – stößt. Der Mozarabische Weg, dem ich nun folgen will, verläuft erst nach Westen, immer nördlich der portugiesischen Grenze, die bald nicht mehr als 15 Kilometer entfernt im Süden verläuft, um dann hinter a Gudina in Galicien nach Nordwesten abzuknicken und über Ourense nach Santiago zu führen. Mozarabisch werden die Spanier bezeichnet, die unter der maurischen Herrschaft als Christen geduldet wurden und unbehelligt weiter lebten. Nach der Reconquista, der Vertreibung der

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