Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
verläßt das Dorf nach 100 Metern. Das ist jetzt der richtige Weg. Die Beschreibung stimmt wieder, auch nach 850 Metern auf altem Steinpflaster, nur stehe ich jetzt nicht vor einer Brücke, sondern oberhalb der Eisenbahn, wo es nicht mehr weiter geht. Verdammt, schon wieder falsch. Muß ich also wieder hoch, da war doch zwischendurch ein Abzweig nach rechts, den habe ich übersehen. Diesmal muß es der richtige sein, die Beschreibung paßt wieder, bis der Weg nach 500 Metern in dichtem Brombeergestrüpp als Irrweg sich verläuft. Also wieder den ganzen Hang hinauf, jetzt bin ich aber langsam sauer, es ist auch wieder schwülheiß geworden und ich schleppe mich hier dreimal den Berg hinauf. Es hilft nichts, ich muß wieder nach dem kleinen Platz zurück, wo ich wohl falsch abgebogen bin, und hier entdecke ich – richtig – den gelben Pfeil, der mich geradeaus ins Zentrum zu dem kleinen Platz führt, den der Führer gemeint hat.
Man muß aufpassen hier in dieser Wildnis, es führen viele Wege, die aber alle gleich aussehen, aus den Dörfern in die Gärten und Wiesen des Landes. Doch die meisten enden dann im Nirgendwo. Sie dienen nur den Einheimischen, um in ihre Gärten zu gelangen. Nur ein Weg, der Hauptweg, die alte Verbindungsstraße, führt aus dem Ort hinaus und weiter in das nächste Dorf.
Nun bin ich aber ziemlich erschöpft nach diesen drei Irrwegen. Dafür entschädigt mich der jetzt richtige Hohlweg, die alte, breite Straße mit den dicken, dunklen Kastanienbäumen, der nun ruhig den Hang hinab mäandert. Dies ist der Camino Mozarrabe, wie mir die dicken, alten Steine des Pflasters und das Brückchen über den Pedro mit seinen steinernen Brüstungsmauern zeigen. Jetzt muß ich wieder steil hinauf nach Lubián, zwar auf breiter, ehemaliger Straße, aber doch nun ziemlich fertig mit meinem schmerzenden Fuß. Ich schleppe mich stolpernd hoch, Gott sei Dank ist diesmal die Herberge das erste Haus.
Vom Balkon schon begrüßt mich winkend Tom, der mir ja voraus war. Total erschöpft falle ich auf mein Bett, mein rechter Fuß ist feuerrot, heiß und dick geschwollen. Mit kühlem Lappen lege ich mich erst einmal eine Stunde hin. Zum Abendessen gehen Tom, der Japaner Hugo aus Osaka, der in Salamanca Spanisch lernt und ein junger Mann aus San Sebastián einige Meter weiter in die Casa Irene, eine so genannte Casa Rural, eine private Pension. Irene ist eine etwas überdrehte, quirlige Frau unbestimmten Alters in weiter psychedelischer Kleidung mit Kettchen, Glöckchen und Röschen. Sie führt das Haus mit zwei anderen Frauen, von denen eine die Köchin ist. Ich fühle mich sofort zu Hause mit goldgelben Wänden, einem Kamin aus Bruchstein in der Ecke, Holzbalkendecke, polierten Eichenholzmöbeln, Kragsteinen mit braunen Tongefäßen.
Die Einrichtung erinnert mich an diese gemütlichen französischen Gites d’Etappes, die ich auf dem Chemin de Compostelle in Südfrankreich so liebte. Ich beschließe spontan, morgen hier meinen Ruhetag einzulegen. Ich spüre, dies ist ein Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Es kostet zwar 50 Euro, aber ich habe eine ruhige, freundliche Atmosphäre dringend nötig. Tom und ich nehmen Abschied mit zwei Chupitas, das sind diese klaren Aguardiente. Wir werden uns wohl nicht mehr wiedersehen, er will in 9 Tagen in Santiago sein.
Der Schwarze Engel
Donnerstag, 15. Juni, Lubián
Ruhetag
Ich bleibe bis um neun im Bett. Alle anderen sind schon fort, erst die Frau, die die Räume säubert, wirft mich aus dem Bett. Heute werde ich faulenzen, ruhen, ausspannen. Ich bin nun 7 Tage ohne Pause gelaufen, 165 Kilometer und das unter Schmerzen mit meinem entzündeten Fuß. Diesen Ruhetag habe ich mir verdient. Der Fuß ist trotz nächtlicher Kühlung dick und rot geschwollen. Ich reibe ihn mit Voltaren ein und ziehe den Stützstrumpf über. Dann packe ich meine Sachen und ziehe rüber zu Irene. Welch ein herrliches Zimmer. Fenster nach Süden, weiches Doppelbett, luxuriöses Bad. Und endlich, endlich einmal wieder allein in einem Raum, ohne Schnarcher, ohne Rascheln und Packen morgens um halb sechs. Denke ich, denn es sollte anders kommen. Ich setze mich auf einen Holzstuhl auf die Terrasse vor dem Haus in die noch etwas kühle Morgensonne. Irene werkelt mit Kopftuch und Jeans in ihrem Kräutergärtchen, drei Hunde liegen zu meinen Füßen, die mich schnüffelnd bewachen. Ich blicke hinunter in das grüne Hochtal, drüben liegen die Kämme der Sierra de Culebra, dahinter ist
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