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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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weiter zu laufen, bis zu einem Ort, der mir zum Bleiben gefällt. Lieber unter Mühen laufen, als sich einen ganzen Tag zu langweilen. Auch könnte ich mir eine weitere Nacht in diesem teuren Hotel nicht leisten.
    Ich frage die unfreundlichen Mädels hinter der Bar in meinem Hotel, ob es einen Bus gäbe nach Lubián, dem nächsten Etappenort nach meinem Führer. „No!“ ist die kurze, knappe Antwort. Ob es vielleicht einen Zug gäbe. „No!“ – das Gleiche. Dabei weiß ich, daß auf der Carretera immer Busse fahren und auch, daß es eine Bahnlinie gibt. Aber die freundlichen Kastilianerinnen in diesem Luxushotel kommen noch nicht einmal auf die Idee, mir weiterzuhelfen und mir die benötigten Informationen zu geben oder zu besorgen. Wenigstens die Telefonnummer eines Taxifahrers geben sie mir, den ich gleich für halb zehn bestelle, nachdem man mir noch barsch gesagt hat, Früstück gebe es aber erst ab neun. Ich habe nämlich beschlossen, mit dem Taxi bis Requejo zu fahren, 11 Kilometer von hier, und dann die restlichen 19 Kilometer zu Fuß zu laufen. Das kürzt meine ansonsten zu lange Etappe von 31 Kilometern um ein Drittel ab.
    Froh verlasse ich mein ungastliches Hotel und betrete die Posada de la Puebla de Sanabria gleich gegenüber, wo man mich in den holzgetäfelten Speisesaal im Obergeschoß führt. Hier ist alles von gediegener altkastilianischer Strenge, rubinrote, geblümte Teppiche, blitzende Messingkerzenleuchter, goldene Damastdecken, schwarze, eichene Schränke unter schwarzer Holzbalkendecke. Leise perlt spanische Gitarrenmusik durch den gedämpften Raum. Höflich empfängt mich der schwarz gekleidete Kellner mit tiefer Verbeugung, „Buenas Tardes“ und wie es mir gehe, reicht mir die riesige, in braunes Leder gebundene Speisekarte – „Por Favor“ – und was ich bitte speisen möchte. Endlich fühle ich mich einmal wohl und freundlich angenommen in diesem Raubritterland, als Gast, nicht als aufdringlicher Eindringling, der ihre Ruhe stört, die heilige, nie gestörte seit 400 Jahren. Die zwei Seiten des Pilgerlebens: gestern noch auf einer Baustelle neben der tropfenden Plastikwanne und jetzt im eleganten Schloßambiente. Jakob meint es gut mit mir. Und es kommt noch besser: Ich esse Paté de Setas, eine würzige Wildpastete mit feiner Konfitüre, danach warmen Spargel in feiner Knoblauchsoße und ein zartes Filet in edler Rotweinsoße, die nach Pflaumen schmeckt. Dazu trinke ich einen dunkelroten Bajoz aus Toro, schwarz funkelnd in geschliffenem Glas.
    Es ist merklich kühl geworden, der Himmel ist grau und diesig. Eine frische Brise streicht durch die geöffneten Fenster. Ich bin zurückgekehrt in die Welt der Kultur. Ein solcher Abend tut gut nach all der Primitivität der letzten Tage. In zwei Tagen bin ich in Galicien. Die schönen, warmen Nächte fehlen mir, sie sollten von jetzt an vorbei sein, nur noch Erinnerung an Salamanca und Zamora.
    Nach einer schönen, dunkelsüßen Mousse au Chocolat noch ein ausgezeichneter Fundador, Pedro Comecq aus Jerez de la Frontera, 41 Jahre alt von 1964, erdigbraun in riesigem Glas. Ich fühle mich dem Himmel nah, meinem Heiligen und allen Göttern. Der Ober freut sich an meiner Freude, wir reden ein wenig über den Weg. Am Ende zahle ich 30 Euro, den Cognac bekomme ich geschenkt! Auch das ist Kastilien, das vornehme, alte, stolze Land der Conquistadores. Dieser Abend bügelt vieles aus, was ich so lange vermißt habe und sollte mir ein schöner Abschied sein.

Im verzauberten Tal

    Mittwoch, der 14. Juni, von Puebla de Sanabria
    nach Lubián, 18,8 Kilometer
    Gesamt 734,5 Kilometer
    34. Wandertag

    Um neun Uhr sollte heute morgen Frühstück sein, die Türen zu Bar und Frühstücksraum sind noch geschlossen. Ich warte in der leeren Hotellobby. Um zwanzig nach neun kommt mürrisch und unausgeschlafen eines der beiden Mädels von gestern herbeigeschlurft und schließt mir den Frühstücksraum auf. Aufgebaut ist in dem modernen Speisesaal ein Einheitsbuffet mit den üblichen Schüsseln voller trockener Wurst und Käse, dazu warmer Orangensaft, warmes Wasser und weiches Brot von gestern. Ich bin ja der einzige Gast dieses Luxushotels. 10 Minuten später steht pünktlich der bestellte Taxifahrer im Raum und drängt zur Abfahrt. Ich stopfe hastig die geschmacklosen, kargen Reste des Früstücks in den Mund, bezahle meine Rechnung und lege meinen Rucksack in den Wagen. Der Fahrer ist wie üblich ein mürrischer, wortkarger, älterer Mann in einem

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