Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
er es will. Wir reisen sicher in seiner Hand. Gracias, Santiago.
Ich habe der Köchin von meinem schlimmen Fuß erzählt. Sie kennt sich aus, war wohl mal Krankenpflegerin und bringt mir gleich eine große Schüssel warmes Wasser mit Salz, Öl und Lorbeerblättern im Wasser schwimmend. Darein muß ich meinen geschwollenen Fuß stellen, der wirklich schlimm aussieht, dick und rot. Sie versteht etwas davon und stellt gleich mit Kennermiene fest, da sei wohl Wasser im Bein, und massiert und salbt das Gelenk mit einer weißen Creme. Das tut gut. Sie meint, durch das Umknicken seien die Sehnen wohl verrutscht, und versucht durch Kneten sie wieder an die richtige Stelle zu bringen. Ich genieße die Pflege, den wahren Grund ahnen wir beide nicht, deshalb hat es auch nachhaltig nichts genutzt. Aber ich fühle mich danach gleich besser.
Marguerita und ich essen gemeinsam schön zu Abend. Es gibt eine köstliche Gemüsesuppe frisch aus dem Garten, so eine Art Minestrone, dazu warmes Gemüse mit frischem Weißbrot. Fleisch gibt es heute nicht. Wir vermissen es auch nicht, alles schmeckt so köstlich. Zwei Spanier kommen in den Raum zum Essen und verlangen gleich, auf die herrische Art der spanischen Männer – Machos – daß das Fernsehen zum Fußball angestellt wird. Ich sage, daß ich das nicht gern hätte, wir seien schließlich gemütlich beim Essen. Der Fernseher wird trotzdem angestellt in der üblichen spanischen Lautstärke, da sie wohl alle schwerhörig sind wegen des pausenlosen Lärms. Darauf setze ich mich ostentativ mit dem Rücken zum Fernseher und zu den beiden Männern. Das nehmen sie mir übel und erzählen abends in der Herberge, ich sei ein Mensch ohne Anstand und Erziehung. Außerdem machen sie die liebenswerte Köchin an, weil es heute Abend kein Fleisch und keine Pommes Frites gibt. Wir erregen uns sehr, schließlich ist das hier kein öffentliches Restaurant und Marguerita und ich wohnen hier als Hausgäste. Aber so sind diese spanischen Kotzbrocken. Bier, Fleisch und Fernsehen.
Endlich in Galicien
Freitag, der 16. Juni, von Lubián
nach A Gudina, 14,7 Kilometer,
gesamt 759,2 Kilometer
35. Wandertag
Marguerita will heute gemeinsam mit mir gehen. Sie hat Angst, von den beiden „Malos Peregrinos“ überfallen zu werden, eine verständliche Befürchtung, allein als Frau in den dunklen, menschenleeren Wäldern. Sie steckt mich direkt an mit ihren Ängsten. Gemeinsam überlegen wir, wie wir unser Geld verstecken sollen, ich habe noch 500 Euro in 50 Euro-Scheinen bei mir, eine Menge Geld für solche Lumpen. Und ich bin kein starker Held bei einem Überfall. Zwei entschlossenen, starken Männern wären wir hoffnungslos unterlegen. Ich verstecke mein Geld in meiner Zigarrendose unter den Zigarren und gebe Marguerita den Rat, 50 Euro offen in der Geldbörse bei sich zu tragen, die sie den Gaunern dann ohne Gegenwehr freiwillig übergeben kann. Dann, meine ich, würden sie uns ziehen lassen. Zweimal 50 Euro sind für sie eine Menge Geld, und dann würden sie uns nicht mehr durchsuchen.
Marguerita erzählt mir, daß Angel noch am Nachmittag zur Bürgermeisterin gegangen sei, nachdem der Hospitalero – der Herbergsvater – die beiden rausgeschmissen hat, da sie kein Credencial – den in Deutschland ausgestellten Herbergsausweis – hatten, der zur kostenlosen Übernachtung berechtigt. Die Bürgermeisterin hat dann trotzdem die Erlaubnis zur Übernachtung gegeben, nachdem der schmierige Angel sie offenbar bequatscht hat.
Diese Burschen sind zu allem fähig. So, gut gerüstet, unser Geld im sicheren Versteck und mit einem Hilferuf an Santiago, den Heiligen der Pilger, machen wir uns gemeinsam auf den Weg.
Bei der Kirche La Tuiza, einer dieser Wallfahrtskirchen, die unvermittelt auf einer Waldlichtung prächtig und riesig, einsam und verloren auftaucht, beschreibt mein Führer von 2003 einen stillen Waldweg links in den Wald und in ein Tal, wohingegen die gelben Pfeile nach rechts den Berg hinauf auf einer Betonpiste zur Autobahn führen.
Ich will den stillen Waldweg gehen nach meinem Führer, Marguerita die Betonpiste nach ihrem Führer und den gelben Pfeilen. So trennen sich unsere Wege. Mit ihrer Angst und dem „starken“ männlichen Begleiter scheint es doch nicht so weit her zu sein. Ich lasse sie ziehen, ich habe ja keine Angst, allein zu sein. So stapft sie allein die steile Piste hinauf und ich verschwinde im rauschenden Wald.
Der urige Weg, es ist die alte Straße, führt zwischen
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