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Auf der Sonnenseite - Roman

Auf der Sonnenseite - Roman

Titel: Auf der Sonnenseite - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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gudde Beziehunge zur Verwandtschaft ned uffs Spiel setze.«
    Lenz musste an den Rad schlagenden Ex-Feldwebel auf Fränzes Partys denken, der auch immer wieder sein privates Umfeld abgraste, und grinste zurück. »Tja! Ist wohl so.«
    Sein zukünftiger Kollege, ein rotgesichtiger, weißblonder, noch jüngerer Mann, interpretierte das als Einsicht in die Verhältnisse. »Ja, so isses!«, bestätigte er selbstgefällig. »Jedder verkauft sei Äppel, so gut er kann. Und bleibt er druff sitze, isser selber schuld. Dann hat er se ebbe ned geputzt, bis se glänze.«
    »Aber fällt Ihnen das denn nicht schwer, Ihre Äpfel als die schönsten, besten und preiswertesten zu loben, wenn die der Konkurrenz auch nicht schlechter sind? Ich meine, zum Putzen gehört doch Überzeugungskraft.«
    Der Kollege zuckte die Achseln. »Dazu braucht’s natürlisch Talent. Wie in jedde Beruf. Aber wieso sollte denn gradde unsereinem das so besonders schwerfalle? Ohne Mühe kein Fleisch in de Brühe!«
    Lenz schwieg, und der Weißblonde meinte nun wohl, ihm einen leisen Vorwurf vom Gesicht ablesen zu können. »Was wolle Se denn, so ist’s doch überall!«, verteidigte er seine Philosophie. »Jeddes Waschmittel wäscht weißer als des andere, jedder Pkw verbraucht wenischer und fährt schneller und ist garantiert sischerer als der andere. Den Apfel zu putze, damit er sisch gut verkauft, des ist doch kein Betrug. Des ist Werbung! Für’n guddes Produkt! Isch verkaaf ja keine angefaulte Ware.«
    Er schob den Rest Gulasch weg, trank von seinem Bier, wischte sich den Schaum vom Mund und steckte sich sinnierend eine Zigarette an. »Und selbst wenn’s ma ned so ganz astrein ist, was man da im Laufe des Tages so alles an Eichenlaub von sisch gibt, was soll’s? Die Welt ist, wie se ist. Isch, Hajo Schmidt, kann se ned ännern. Muss auch lebbe, werd auch beschisse … Am Ende gleischt sisch alles wieder aus.«
    In seinem Pkw, auf dem Weg zum nächsten Kunden, nachdem er lange genug von seinem neuen Wagen geschwärmt hatte, als hätte er ihn selbst entwickelt und zusammengebastelt, gab dieser echte »Frankforter Bubb«, der auch schon Autoverkäufer, Bistrobesitzer und Handlungsreisender gewesen war, Lenz dann noch einen »sehr nützlische« Tipp. Er habe nämlich, so verriet er ihm stolz, sein altes Autochen bestens an den Mann gebracht und so für den neuen Wagen gar nicht viel bezahlt. »Hatte ja schon hundertsiebzigtausend Kilometerche runner, der aale Kasten. Fünftausend Märker war er nur noch wert, achttausend habsch dafür kassiert.«
    Lenz schwieg dazu. Er war schon müde, die Bratwurst mit Rotkohl lag ihm schwer im Magen, er sehnte das Ende dieser Geschäftsfahrt herbei.
    »Woll’n Se wissen, wie das geht?« Listig-verschmitzt zog Hajo Schmidt eines seiner weißblonden Augenlider herunter, um gleich darauf in seinem schönen Hessisch fortzufahren: »Gaanz einfach. Des kann sogar Klaan-Seppelche. Mit ’nem Maschinche spulst’n Tacho zurück – und schon hat des Wäggelsche nur noch schlappe achtzigtausend druff. Ja«, er schlug sich selbst auf die Schulter, »clever muss ma sein, will ma Tantchens Sparbuch erben.«
    Das war nun doch ein fauler Apfel! Ein sehr fauler sogar. Da half auch alles Putzen nichts. Lenz konnte nur den Kopf schütteln.
    Hajo Schmidt, enttäuscht, keinen Beifall geerntet zu haben, blickte irritiert. »Was’n dabei? De Wagge war ja noch ned alt. In unserem Beruf fährt ma halt sehr viel. Wär doch schaad, den zu billich abzugebbe.« Verständnislos schüttelte auch er den Kopf. »Ja, gudder Mann! E bisschen einfallsreisch muss ma schon sei, sonst kommt ma zu nischts.«
    Nur ein Versuch! Reine Neugierde! Erfahrungen sammeln! Schon am nächsten Tag stellte Lenz sich wieder in einer Exportfirma vor.
    Doch war es wie zuvor, bis kurz vor Ende des Vorstellungsgesprächs lief alles bestens. Ja, einen jungen Mann mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen könne man gut gebrauchen. Nur eine einzige Frage habe man noch: »Sie kommen aus der DDR – wieso hat man Sie gehen lassen?«
    Die Frage kam jedes Mal. Und wie jedes Mal beantwortete Lenz sie ehrlich, erzählte von seinem missglückten Fluchtversuch, seiner einjährigen Haftstrafe und dem Freikauf durch die Bundesrepublik. War ja nichts Ehrenrühriges an diesem »Geständnis«.
    Die Herren ihm gegenüber – an jenem Tag ein gemütlicher Dicker mit lustigen Knopfaugen und ein hagerer Asket mit stachlig wirkender, grauer Haartolle – zeigten sich betroffen. Ja, diese

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