Auf der Spur der Vogeljaeger
konnte es für den Hund und das Mädchen zu spät sein. Und dann auch für Tarzan.
12. Begegnung im Moor
»Puh!«, meinte Klößchen und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Ich glaube, Tarzan und Gaby haben den besseren Teil unserer Pläne erwischt. Für uns ist es anstrengender, Karl.«
»Aber nicht so gefährlich. Oder möchtest du als angeblicher Reporter diesen Schlitzer aushorchen?«
»Naja, so gesehen stimmt’s. Alles hat eben eine Schokoladen- und eine Schattenseite. Es kommt nur darauf an, dass man die richtige Seite sieht und daran knabbert. Mann, hab ich einen Kohldampf. Schon seit über einer Stunde nichts gefuttert. Wenn das bis heute Abend so weitergeht, kann ich mich als Hungerkünstler sehen lassen.«
Es war sehr heiß geworden. Die beiden hatten die letzte Siedlung am Stadtrand längst hinter sich, waren über Felder und durch den Wald zu dem riesigen Natur- und Vogelschutzgebiet geradelt. Jetzt hechelten sie nebeneinander über die schmalen Straße, die das Naturschutzgebiet umrundete.
Niemand begegnete ihnen. Nur ein Vogelruf ertönte.
Die Straße führte am Hochmoor entlang, wurde aber zu beiden Seiten von dichten Büschen gesäumt.
»Dort vorn bei der Biegung«, sagte Klößchen, »dort etwa hatte Rotschopf seine Maschine abgestellt. Noch ein Stück weiter – und wir können mit dem Fernglas... He, was sehe ich denn da?«
Er vergaß das Treten. Auch Karl, der Computer, rollte langsamer mit seinem Drahtesel. Er rückte an seiner Nickelbrille und spähte voraus.
Neben der Straße, dicht bei den Büschen, parkte ein schweres Motorrad japanischen Fabrikats. Es war aufgebockt. Ein Mückenschwarm tanzte darüber.
Die beiden hielten an.
»Ob die dem Wilddieb gehört?« Karl sprach leise.
»Keine Ahnung. Könnte immerhin sein. Hab die Maschineja nicht aus der Nähe gesehen. Aber vielleicht gehört sie einem Jäger. Oder einem Waldarbeiter.«
Sie sahen sich um, entdeckten aber niemanden, denn die dichten Büsche verstellten nach allen Seiten den Blick.
»Wir verstecken uns«, sagte Karl, »und warten, wer da kommt.«
Sie wählten die Seite, auf der das Moor lag, schoben ihre Tretmühlen in die Büsche und zwängten sich selbst durch die Zweige.
Karl, der ein rotes Hemd trug, meinte: »Ich leuchte wie ein Signal. Als Tarnfarbe wäre das nur zweckmäßig, wenn der Wald brennt. Pass auf, da sind Dornen.«
Aber es war schon zu spät. Klößchen griff hinein und jaulte wie Oskar, wenn dem jemand mit Skistiefeln auf die Pfoten tritt – versehentlich.
Karl machte: »Pst!«
Klößchen zischte nur noch durch die Zähne, saugte zweiBlutstropfen vom Handteller und meinte verzweifelt: »Hunger und Blutverlust! Was habe ich verbrochen, dass mich das Schicksal so geißelt?«
Lachend schnippte sich Karl eine Spinne vom Ärmel.
Sie warteten. Klößchen setzte sich auf einen Grasbatzen. Durch die Zweige konnten sie zur Straße sehen. Allerdings war das Motorrad nicht mehr im Blickfeld.
Klößchen schien zufrieden, dass er sich ausruhen konnte. Aber Karl stand an einer Stelle, wo ihn die Zweige umhüllten wie Kohlbätter die Fleischfüllung einer besonders mageren Kohlroulade. Er versuchte, sich Platz zu schaffen. Doch eine Dornenranke fetzte einen langen roten Faden aus seinem leuchtenden Hemd.
»Bleib hier!«, meinte er. »Ich seh mich mal um.«
»Was?«
»Warum nicht? Wenn ich hier bleibe, werden wir möglicherweise beide entdeckt. Mein Hemd ist auch durch die Zweige zu sehen.«
Das war ein Argument, dem sich Klößchen schon wegen der eigenen Sicherheit nicht verschließen konnte.
Karl wand sich also aus dem Gebüsch heraus, trabte ein Stück die Straße hinunter, pirschte durch niedrige Sträucher am Rande des Moors und beobachtete einen Greifvogel, der hoch am Himmel lautlos seine Kreise zog.
Das lenkte seine Aufmerksamkeit ab. Den Blick nach oben gerichtet, tappte er weiter.
In der nächsten Sekunde prallte er mit dem Wilddieb zusammen.
Beide erschraken mordsmäßig.
Rotschopf – er war’s – kniete im Moos, sein Kleinkalibergewehr neben sich, kehrte Karl den Rücken zu, hatte ihn nicht bemerkt und war gerade dabei, einen frisch erlegten Uhu in seinen Rucksack zu stopfen.
Karl war buchstäblich über den Wilddieb gestolpert. Aber der fasste sich schnell.
Er packte sein Gewehr, sprang auf die Füße und wirbelte herum.
»Was... was willst du von mir?«, schrie er Karl an. Drohend war die Gewehrmündung auf den Jungen gerichtet.
»Nichts... gar
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