Auf der Spur der Vogeljaeger
wischende Bewegung schien durch die Luft zu zischen, als die Gabun-Viper zustieß. Blitzartig schlug sie ihre daumenlangen Giftzähne in den unschuldigen Gummiball.
»Ich rufe die Polizei«, schrie die Frau, »wenn du nicht sofort meine Tochter loslässt.«
Auch jetzt hatte sie die Schlange noch nicht bemerkt.
Mit Oskar und dem Kind rannte Tarzan auf sie zu.
»Sehen Sie denn nicht! Dort bei den Kisten. Die Schlange! Das ist die Gabun-Viper! Ja, die Giftschlange, die im Stadtpark vermutet wird. Um ein Haar hätte sie Ihre Tochter gebissen. Oder den Hund.«
Die Frau wurde bleich wie der Tod. Sie wollte reden, aber ihr Mund zitterte. Sie starrte zu den Kisten. Dann riss sie Tarzan das Kind aus den Armen.
Sie stand noch nahe der geöffneten Tür zum Bürogebäude. Tarzan drängte sie hinein, folgte ihr, schlug die Tür zu und ließ Oskar auf den Boden.
»Das war knapp. Bitte, rufen Sie beim Reptilien-Zoo an. Beim Reptilien-Zoo, verstehen Sie! Fräulein Obermüller soll herkommen. Sagen Sie ihr, die Viper ist hier. Sie soll Fangeisen und eine Kiste mitbringen.«
Die Frau nickte. Sie hielt ihr Kind an sich gepresst und brachte noch immer kein Wort hervor.
Tarzan deutete auf Oskar. »Er muss hier bleiben. Er darf auf keinen Fall raus. Bitte, halten Sie ihn fest. Ich beobachte die Schlange.«
Er öffnete die Tür nur einen Spalt, stieß Oskar zurück und quetschte sich schnell hinaus.
Gaby stand in der Einfahrt, war vom Rad gestiegen und schien versteinert vor Schreck. Ihr Blick war auf die Schlange gerichtet. Zum Glück befand Gaby sich weit genug entfernt, um nicht in Gefahr zu sein.
»Nicht näher kommen!«, rief Tarzan.
»Ich habe alles beobachtet,Tarzan.« Ihre Stimme klang, als stecke ihr ein Schluchzen in der Kehle. »Ich dachte,jetzt wäre es aus mit dir. Und der Kleinen und mit Oskar. Das... das... so was... Du hast beide gerettet.«
Himmel, dachte er. Jetzt habe ich tatsächlich weiche Knie. Aber um Gaby zu imponieren, ist mir jede Mutprobe recht. Bin ich ein Esel!
»Gib bitte Acht, dass ich dich nicht auch noch retten muss!«, warnte er, denn die Schlange hatte Gaby entdeckt.
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit wand sie sich in ihre Richtung.
Jetzt reicht’s, dachte Tarzan und rannte los.
Auf der Innenseite der Mauer verlief eine Wasserleitung.
Der Hahn befand sich neben der Einfahrt. Ein dicker Gartenschlauch war angeschraubt – sicherlich, um die Fahrzeuge und den Hof abzuspritzen, falls Staub und Schmutz überhand nahmen.
An dem Schlauch musste die Schlange vorbei. Aber Tarzan war vor ihr dort – rechtzeitig. Er drehte den Hahn auf. Ein knüppeldicker Strahl schoss aus dem Schlauch. Mit einer Vorrichtung an der Mündung konnte der Druck reguliert werden: Breit gefächert wie Sprühregen oder konzentriert wie ein Pfeil.
Tarzan fasste den Strahl auf die größtmögliche Druckstärke zusammen. Dann wurde es auch höchste Zeit, dass er sich der Schlange erwehrte. Sie hatte die Richtung geändert und ihn als Opfer erwählt.
Der Strahl traf genau ihren wuchtigen Kopf, hämmerte darauf ein und stieß in ihren geöffneten, böse fauchenden Rachen.
Erst schien es, als ließe sie sich von ihrem Beutezug nicht abhalten. Dann wich sie zurück. Tarzan folgte ihr. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Er hatte eiskalte Hände und ein hohles Gefühl im Magen. Aber erst als die Viper unter dem Kistenstapel verschwand, stellte er das Wasser ab.
Gaby wagte sich zu ihm. Sie sagte nichts. Doch ihre bewundernden Blicke taten wohl.
Vorsichtshalber behielt er den Gartenschlauch in der Hand. Außerdem ließ er keinen Blick von den Kisten. Nach keiner anderen Seite konnte die Schlange entkommen. Die glatten Mauern verhinderten die Flucht.
»Ich kann mir denken«, sagte er, »wie das Vieh hierher gekommen ist. Jedenfalls nicht zu Fuß. Sie wurde gefahren. Und zwar mit dem Transporter dort. Den habe ich letzte Nacht – genau zur richtigen Zeit – beim Stadtpark gesehen.«
Auch die Frau – wie sich herausstellte, handelte es sich um Frau Niefrisch, die Chefin des Obst- und Gemüsehandels – traute sich aus dem Bürogebäude heraus. Sie hatte mit FräuleinObermüller telefoniert und ihren Schrecken halbwegs überwunden.
»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll«, sagte sie immer wieder. Mindestens ein Dutzend Mal ergriff sie Tarzans Hand.
»Mir ist unbegreiflich«, meinte sie kopfschüttelnd, »wie die Schlange hierher kommt.«
»Letzte Nacht«, erklärte er, »habe ich den großen Lastwagen gesehen.
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