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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Petermann
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mangelnde Selbständigkeit und seine ungefestigte männliche Identität. Er neige zu Schuldverlagerungen und mache für seinen hohen Alkoholkonsum Ärger mit anderen verantwortlich. Auch sei Krabonke darauf stolz, keine sexuellen Probleme zu haben und »immer zu können«. In früheren Jahren habe sich keine Aggressionsproblematik im sexuellen Bereich gezeigt. In den Jahren nach der Trennung von seiner früheren Ehefrau jedoch seien gehäuft Anzeichen für eine aggressiv aufgeladene Sexualität aufgetreten: Das Würgen als Atemkontrolle beim Geschlechtsverkehr gehöre zu seinen Spielchen, das hatte Walter Krabonke dem Psychiater bei der Untersuchung versichert. Walter Krabonke hatte sich selber als jemanden beschrieben, zu dem das Geschehen mit Agnes Brendel gar nicht passte. Diese »fremde Tat« habe nicht wirklich er begangen. Er habe die Tötung nicht gewollt, und mit Sexualität habe sie nichts zu tun. An allem sei nur die Wut auf seine geschiedene Frau schuld gewesen.
    Doch der Gutachter ließ sich davon nicht überzeugen. Stattdessen bewertete er die Verstümmelung als »Entladung sexualisierter Destruktivität«, bei der Gefühle wie sexuelle Erregung und Wut so eng miteinander verwoben seien, dass sie nicht auseinandergehalten werden könnten. In den Zerstückelungshandlungen drücke sich ferner eine »massive destruktive Dynamik aus, bei der nicht nur die Frau als Frau, sondern auch der Mensch als Mensch vernichtet werden sollte«.
    Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit befand der Gutachter, dass der Täter nicht minderbegabt sei. Auch fand er keine Hinweise auf eine Psychose oder eine »hirnorganische Symptomatik«, wie eine Verletzung oder einen Tumor. Der Psychiater stellte jedoch bei Walter Krabonke eine hochgradige Persönlichkeitsproblematik fest, die als »schwere andere seelische Abartigkeit« angesehen werden müsse. Selbstkontrolle und Steuerungsfähigkeit des Mannes seien durch die vermutlich vorliegende erhebliche Alkoholisierung stark eingeschränkt gewesen, so dass bei ihm »zur Tatzeit eine verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen« haben dürfte.
    Der Staatsanwalt stellte in seinem Plädoyer die These auf, dass Walter Krabonke Agnes Brendel vorsätzlich zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes bzw. zur Verdeckung einer anderen Straftat getötet hatte, und forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe. Walter Krabonkes Verteidiger dagegen äußerte Zweifel daran, dass sein Mandant die Frau heftig geschlagen habe. Er bewertete die Tat als Missbrauch einer Widerstandsunfähigen und mutmaßte, dass die sexuellen Handlungen erst nach dem Tod von Agnes Brendel erfolgt waren. Als Strafrahmen empfahl er dem Gericht eine »Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren«.
    Beiden Anträgen mochte sich das Gericht nicht anschließen. Es verurteilte Walter Krabonke »wegen Vergewaltigung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren«. Die drei Richter und die beiden Schöffen der Großen Strafkammer des Landgerichts sahen es als erwiesen an, dass er Agnes Brendel mit körperlicher Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen und dabei leichtfertig ihren Tod verursacht hatte. Krabonke habe wissen müssen, dass ein heftiges und lang anhaltendes Würgen zum Tod führen konnte. Auch den vom Psychiater angeführten Gründen für eine verminderte Schuldunfähigkeit widersprach das Gericht. Der Mann sei nicht erheblich angetrunken gewesen, sondern »voll orientiert«. Er sei schlicht verärgert gewesen über Agnes Brendels Weigerung, mit ihm intim zu werden.
    Ausdrücklich wies der Vorsitzende Richter in seiner mündlich vorgetragenen Urteilsbegründung darauf hin, das »Zersägen der Leiche« dürfe nicht straferschwerend berücksichtigt werden. Es sei ausschließlich zum Zwecke des leichteren Transportes erfolgt. Die Verstümmelung der Brüste und des Schambereichs kommentierte das Gericht nicht.
    Viele Jahre nach dem Fall, ich hatte meine Ausbildung zum Fallanalytiker bereits begonnen, holte ich mir den längst abgeschlossenen Fall von Walter Krabonke aus dem Archiv. Ich wollte mein damals erstelltes Täterprofil nachträglich überprüfen und die Übereinstimmungen oder Differenzen bei meiner zukünftigen Arbeit berücksichtigen.
    Meine früheren Vermutungen hatten sich als zutreffend erwiesen: Walter Krabonke lebte in der Nähe des Fundortes, kannte die Schule und wohnte alleine. Ohne Probleme konnte er auf eine Säge zurückgreifen, die er für die Renovierung seiner Wohnung benötigte. Er hatte

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