Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Er geriet nahezu ins Plaudern wie jemand, der seinen Freunden oder am Stammtisch von seinem Wochenende oder vom letzten Streit mit seiner Frau erzählt. Wortwahl und Tonfall waren mitunter plump vertraulich. Aber war alles so passiert, wie er es schilderte?
Zusammengefasst lautete seine Version so: In der Wohnung war es zu einem Streit gekommen. Agnes wollte auf einmal nicht mehr mit ihm ins Bett gehen. »Sie hat irgendwas von einem Freund gefaselt und wollte plötzlich Bier und Korn trinken.« Wein lehnte sie kategorisch ab. »Dann habe ich sie eine gedonnert, weil ich so vergrellt war! Wie ein dummer Junge kam ich mir vor. Erst wollte sie, dann wieder nicht!«
Nach dem Schlag war Agnes Brendel mit ihrem Kopf gegen einen Türpfosten »geknallt, voll dagegen« und regungslos liegen geblieben. Er trug sie zum Bett und hoffte, sie würde sich wieder erholen. Plötzlich wurde ihr Atem kurz und hechelnd, als würde sie ersticken. Als sie dann noch Flüssiges erbrach, schrie er sie an und rüttelte sie. Damit wollte er ihr helfen, »denn schließlich hab ich doch einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht«. Aber Agnes Brendel reagierte nicht mehr. Irgendwann merkte er, dass sie tot war. Daraufhin überlegte er, was er tun sollte. Seine Trunkenheit war verflogen, ersetzt durch eine verzweifelte Nüchternheit. Er dachte daran, einen Notarzt zu rufen, entschied sich jedoch dagegen, aus Angst, im Gefängnis zu landen. Stattdessen drängte sich ihm quasi die Vorstellung auf, er müsste Agnes ausziehen und ihre nackte Leiche in seinen Keller schaffen. Das tat er dann auch, wickelte sie vorher aber in ein Bettlaken ein. Ihre Kleidung und ihre Handtasche steckte er anschließend in einen Altglascontainer in der Nähe seiner Wohnung. Danach ging er ins Bett. Erst am nächsten Tag machte er sich dann an die Verstümmelung der Toten – »das Grauenhafte«, wie Walter Krabonke es formulierte –, damit er sie »besser wegschaffen« konnte.
Auch wenn Walter Krabonke sich alle Mühe gab, mich von seiner Tatschilderung und Motivation zu überzeugen, ich glaubte ihm nicht in allen Einzelheiten. So konnte sich das Verbrechen nicht zugetragen haben. Wie zum Beispiel waren die Spermien in Agnes Brendels Scheide und die vitalen Stichverletzungen in ihrer Brust zu erklären? Wie war Agnes Brendels Blut auf den Teppich gekommen? Es war nicht zu übersehen, dass Walter Krabonke die Nachfragen unangenehm waren. Er wand sich wie ein Aal, versuchte Ausflüchte und bestritt einen anderen Tatablauf als seine geschilderte Version. Dieses Verhalten wunderte mich nicht. Selbst wenn Agnes Brendel so gestorben war, wie Walter Krabonke behauptete, und es kein Mord, sondern Körperverletzung mit Todesfolge war, so hatte er dann die Leiche nicht nur verstümmelt, sondern zudem in sie ejakuliert. Das musste auch aus seiner Sicht ein doppelter Tabubruch sein, fand er doch schon Oralsex abnorm.
Meiner Interpretation nach wiesen die Verstümmelungen von Brüsten und Scham des Opfers auf sexuelle Erregung hin, die sich alleine aus pragmatischen Erwägungen über den Leichentransport nicht erklären ließen. Genau das sagte ich dem Geständigen: Ich erklärte ihm, dass ich sein Zögern, seine Ausflüchte verstehen konnte, aber trotzdem sicher war, dass er nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte.
Nach minutenlangem Hin und Her zeigten meine Einwände schließlich Wirkung. Auf einmal hielt Krabonke es auch für möglich, dass er Agnes nicht nur einmal ins Gesicht geschlagen hatte. Seine neue Version: Als sie mit ihrem Kopf gegen den Türpfosten »geknallt« war und er sie aufs Bett gelegt hatte, ging er zwar davon aus, dass Agnes Brendel nicht mehr lebte. Aber um sicherzugehen, holte er aus der Küche ein Messer. Damit stieß er ihr zweimal in den Oberkörper. Anschließend, so behauptete Walter Krabonke weiter in Übereinstimmung zu seiner ersten Version, habe er die Tote in ein Bettlaken gewickelt und in den Keller getragen. Dabei könne ihr Blut auf den Fußboden getropft sein.
Mittlerweile war es 16 Uhr geworden. Über acht Stunden Vernehmung lagen bereits hinter uns, und immer noch gab es viele ungeklärte Fragen. Wir machten eine kurze Pause. Walter Krabonke aß zwei Stücke Butterkuchen und versicherte auf meine Frage, wie er sich denn fühle, es gehe ihm gut, er habe keinen »Nervenzusammenbruch«. So kam er mir auch nicht vor. Eher hatte ich den Eindruck, er verhielt sich abwartend und versuchte die Situation einzuschätzen. Er legte eine gewisse
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