Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
kein Auto und fuhr mit dem Fahrrad. Und Walter Krabonke trank gerne und suchte Gaststätten auf, in denen auch Agnes Brendel verkehrte. Allerdings hätte mein Profil noch differenzierter ausfallen können. Ein Fallanalytiker weiß heute, dass die Gründe, einen Menschen zu verstümmeln, sehr unterschiedlich sind und bestimmte Formen der Mutilation , so der Fachausdruck für Verstümmelung, mit bestimmten Tätertypen korrelieren. Entsprechend lassen sich aus dem Zustand der Leiche Rückschlüsse auf das Profil des Täters ziehen.
Als erwiesen gilt: Es ist immer der Täter selbst, der die Leiche verstümmelt. Einzige Ausnahme sind die sehr seltenen Fälle von Nekrophilie . Der Begriff stammt aus dem Griechischen (nekrós = Toter, philia = Zuneigung) und bezeichnet einen Sexualtrieb, der sich auf Leichen richtet. Nekrophile Täter brechen beispielsweise in Beerdigungsinstitute oder Leichenhallen ein, um Tote zu missbrauchen und auch zu verstümmeln.
Eine Verstümmelung sagt nichts über Altersgruppe, Bildungsgrad oder soziale Herkunft des Täters aus. Täter sind fast immer Männer, Opfer meistens Frauen.
Der Täter kennt sein Opfer sehr häufig, weil es aus dem direkten sozialen Umfeld stammt: Familie, Beziehung, private oder geschäftliche Kontakte.
Die Todesursache ist wegen der oft massiven Verstümmelung auch bei der Obduktion nicht immer einfach zu bestimmen. In den meisten Fällen wird das Opfer erstochen (scharfe Gewaltanwendung), erschlagen (stumpfe Gewaltanwendung), erdrosselt oder, wie Agnes Brendel, erwürgt.
Heute kann ich dank meiner Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnisse sagen, dass Walter Krabonke tatsächlich zwei verschiedene Formen der Verstümmelung beging. Den Kopf und die Extremitäten von Agnes Brendel entfernte er ausschließlich zu Transportzwecken. Schließlich konnte er die Leiche nicht einfach am Tatort liegen lassen. Eine solche Zerstückelung der Leiche aus rein pragmatischen Erwägungen wird als defensive Mutilation bezeichnet und ist der häufigste Grund für Verstümmelungen.
Für das Täterprofil hätte diese Bewertung bedeutet, dass Agnes Brendel an einem Ort getötet wurde, an dem der Täter entweder selbst lebte oder einen sogenannten Ankerpunkt hatte wie seinen Arbeitsplatz. Zudem musste die soziale Kontrolle durch Nachbarn, Anwohner und Passanten so groß sein, dass der Transport einer kompletten Leiche nicht infrage kam.
Eine völlig andere Motivation führt zur Verstümmelung primärer Geschlechtsteile oder des Gesichts. Eine solche Verstümmelung geschieht immer aus emotionalen Gründen: Wut oder Hass, sexuelle Erregung, Demütigung. Häufig ist sie schlicht die Fortsetzung der exzessiven Gewalt, die schon zum Tod des Opfers geführt hat. Die emotional motivierte Verstümmelung wird als aggressive Mutilation bezeichnet. Häufig werden die Opfer enthauptet. Aber auch symbolische Schnittverletzungen im Gesichts-und Genitalbereich kommen vor. Immer geht es dem Täter, ob bewusst oder unbewusst, um Depersonifizierung, die Entmenschlichung des Opfers. Nichts soll den Täter mehr an die Persönlichkeit des Opfers erinnern. Das ist bei etwa jeder zwanzigsten verstümmelten Leiche der Fall.
Beinahe lehrbuchmäßig hatte Walter Krabonke seine Motivation für die Verstümmelung beschrieben, als er uns gestand, dass er Agnes Brendel als Frau und Mensch zerstören wollte. Dabei richtete sich sein Hass jedoch nicht originär gegen Agnes Brendel, sondern gegen Frauen im Allgemeinen. Speziell seiner geschiedenen Ehefrau gab Walter Krabonke alle Schuld für sein desaströses Leben, für alle Unannehmlichkeiten und Einschränkungen.
Bei der Bearbeitung des Falles hatte ich mir wegen der Genitalverstümmelung und der abgeschnittenen Brüste auch ein sexuelles Motiv bei Walter Krabonke vorstellen können. Die Verstümmelung zur sexuellen Befriedigung heißt offensive Mutilation und ist von der aggressiven Mutilation oft nicht zu unterscheiden: Enthauptung, Abtrennen von Extremitäten, Entfernen der inneren und äußeren Geschlechtsorgane. Typisch für die offensive Verstümmelung ist allerdings, dass Täter den Bauchraum ihrer Opfer öffnen, Organe entnehmen, ihr Opfer häuten oder in einem Akt von Kannibalismus gar Körperteile verspeisen. Wenn Ermittler bei einer gefundenen Leiche solche Hinweise finden, wird das Täterprofil auf sogenannte »Lustmörder« oder sexuelle Sadisten lauten. Während der Lustmörder das Opfer zur Befriedigung seiner sexuellen Phantasien verstümmelt
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