Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Tatmesser und der Beute verließ er die Wohnung und schloss die Tür zweimal ab.
Dreieinhalb Jahre nach dem Mord, ich war inzwischen stellvertretender Leiter im Kommissariat für Gewaltverbrechen und leitete eine Mordkommission, klingelte morgens in meinem Büro das Telefon. Es meldete sich der für Tötungsdelikte zuständige Staatsanwalt: »Mich hat soeben ein Rechtsanwalt angerufen. Bei ihm in der Kanzlei sitzt ein Mann, der behauptet, eine Prostituierte in ihrer Wohnung ermordet zu haben, und sich stellen will. Um welchen Fall es geht, weiß ich nicht.«
Mir selbst fielen spontan die immer noch ungeklärten Morde an Ramona Braun und an zwei weiteren Prostituierten ein: Tanja Rose und Violetta Winter. Die drei Frauen waren innerhalb von nur dreizehn Monaten in ihren Apartments getötet worden. Ich rief den Rechtsanwalt an. Er bestätigte, dass sein Mandant Herbert Ritter bei ihm in der Kanzlei sitze und die Tötung einer Prostituierten gestehen wolle. Ich sagte dem Anwalt, dass ich seinen Klienten abholen lassen würde, und informierte die Einsatzzentrale.
Tanja Rose war nur drei Wochen nach Ramona Braun in ihrem Atelier ermordet worden – knapp hundert Meter vom ersten Tatort entfernt. Auch an diese Tat konnte ich mich gut erinnern, denn ich hatte mich viele Stunden am Tatort aufgehalten, die Spuren beschrieben und sie zusammen mit einem Sachverständigen für Blutspuren interpretiert. Wir hatten damals herausgefunden, dass Tanja Rose den Täter gegen 18 Uhr als vermeintlichen Gast in ihrem Apartment empfangen hatte. Schnell schaute ich in meinen früheren Aufzeichnungen nach. Ich las:
Leiche liegt zwischen Bett und Couchtisch auf dem Rücken. Tote ist ca. 1,65 m groß, schlank und bekleidet mit rotem Pullover, blauen Jeans, schwarzem Slip, roten Schuhen und weißen Socken. Kopf zur Seite gedreht, liegt in einer 40 x 30 cm großen Blutlache. Blut ist geronnen. Linker Arm liegt ausgestreckt unter dem Couchtisch, der rechte ruht angewinkelt auf dem Oberkörper, verdeckt Halspartie. An beiden Händen multiple Stiche und Schnitte in der Hohlhand. Füße der Toten zeigen zur Wohnzimmertür. Beine leicht gespreizt. Neben rechtem Fuß liegen Scherben von zerbrochenem Wasserglas. Dort Teppich nass. Pullover (durchblutet) 20 cm über den Bauchnabel hochgeschoben, Brüste nicht entblößt (geschlossener BH).
Knapp über Bauchnabel ca. 30 cm lange horizontale und leicht geschwungene oberflächliche Schnittverletzung, von deren linkem Ende seitlich abgehend (wie Strahlen) zwei nur wenige Zentimeter lange Schnitte. Knapp oberhalb des rechten Schnittes, noch im Unterbauch, ca. 5 cm breite, klaffende Stichwunde. Jeans und schwarzer Slip zusammen fast bis zu den Knien heruntergezogen, Hosenschöße auf links gedreht. Innen-und Außenseiten der Jeans blutig – vermutl. Kontaktspuren von blutigen Händen. Schuhe und Socken sitzen normal. Schnürsenkel zur Schleife gebunden. Auf linkem Unterschenkel liegt schwarzes Négligé, auch hieran Blut.
Teppich (altrosa) in unmittelbarer Umgebung der Leiche großflächig blutig:Tropfen und Wischspuren. Auf rechtem Arm liegt rot-schwarzes Bustier, ebenfalls mit blutigen Griffspuren. Daneben ist rotes Tastentelefon abgestellt. Telefonschnur führt zum Unterkörper der Leiche. Hörer steckt tief in Vagina. Totenstarre vollständig ausgeprägt. Nach Wegdrücken des linken Arms ist blutiges Gesicht der Toten zu erkennen. Nase und linke Wange von Stichen verletzt. Hals aufgeschnitten, zwei bis zur Wirbelsäule reichende Schnitte nahezu parallel. Wundränder klaffen weit auseinander. Drehen des Körpers in Bauchlage offenbart zwei tiefe, unterschiedlich lange und horizontale Schnitte im Nacken. Der längere reicht von Ohransatz zu Ohransatz. Analog zum Bauchschnitt in gleicher Höhe gut 40 cm langer Schnitt quer über den Rücken.
Wie bei Ramona Braun hatte sich der Täter sehr strukturiert verhalten, die Tatwaffe mitgebracht und sie nach der Tat wieder mitgenommen. Er hatte Tanja Rose ebenfalls sofort angegriffen, Konsequenz bei der Tötung gezeigt, anschließend die Wohnung durchsucht und Geld und persönliche Gegenstände geraubt. Und auch hier ging die Tat weit über das für Raubmörder typische Verhalten hinaus. Warum hatte der Täter beispielsweise Hals und Nacken so extrem verletzt? Welche Bedeutung hatten die langen Bauch-und Rückenschnitte? Warum hatte er Dessous auf dem Körper der Toten abgelegt und ihr den Telefonhörer in die Scheide geschoben? Wollte er sie damit als
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