Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Rücken weisen 25 tiefe Stichverletzungen aus unterschiedlichen Richtungen auf, die Kehle ist mit drei langen und parallel geführten Schnitten weit geöffnet. Am rechten Oberarm und den Händen zähle ich sieben Einstiche, dazu zwei Schnitte in der Hohlhand und an den Fingern. Eindeutige Beweise dafür, dass Ramona Braun sich gegen die Messerattacke des Täters zu schützen versucht hatte, sich dabei vom Täter abwandte und versuchte, die Klinge des Messers festzuhalten.
Arme und Beine der Toten sind starr. An der Unterseite ihres Körpers sind dunkelviolette Totenflecken zu erkennen, die bei leichtem Daumendruck verschwinden und nach einem kurzen Moment wieder erscheinen. Die Körperwärme ist bereits deutlich gesunken. Die drei Feststellungen bedeuten, dass Ramona Braun vor mehreren Stunden gestorben ist.
In der Küche liegen auf einem Stuhl Jeans, Pullover und eine kurze Lederjacke. Die auf dem Küchentisch abgestellte Handtasche ist leer, das Futter nach außen gekehrt. Ihr Inhalt liegt auf Tisch und Fußboden verteilt. Portemonnaie, Ausweise und Geld fehlen. Nach der Tatwaffe und den Wohnungsschlüsseln suchen die Beamten des Erkennungsdienstes und ich vergeblich. In Ramona Brauns Hand finden die Spurensucher ein Büschel mit kurzen braunen Haaren. Sie sichern Blutspuren und Fingerabdrücke und kleben den Körper der Leiche für die Untersuchung von Mikrospuren mit transparenter Folie ab.
Für Prostituierte besteht bei ihrer Tätigkeit generell ein großes Risiko, irgendwann einmal Opfer einer Straftat zu werden. Sei es, dass sie bedroht, geschlagen, vergewaltigt, beraubt oder gar ermordet werden. Gleichgültig, ob Sexarbeiterinnen – wie sie sich selbst nennen – in einem Apartment Freier empfangen oder ihren Körper auf dem Drogenstrich anbieten. Die Kontaktaufnahme ist für den Täter einfach: Er muss lediglich wie ein potentieller Freier auftreten. Ist ihm die Kontaktaufnahme erst einmal gelungen, befindet er sich bald darauf mit der Prostituierten allein an einem Ort ohne Zeugen oder sonstige soziale Kontrolle. Und sein Opfer wird keinen Verdacht schöpfen, wenn er sich beim Ausziehen scheinbar verschämt wegdreht, um zum Beispiel eine Waffe aus seiner Kleidung zu ziehen.
Mit diesen Gedanken rekonstruierte ich das Tatgeschehen. Vermutlich hatte Ramona Braun ihren Mörder in der irrigen Annahme, er sei nur ein Kunde, freiwillig und leicht bekleidet in ihre Wohnung eingelassen. Der Täter hatte offenbar ein Messer bei sich gehabt und war sehr strukturiert vorgegangen: In einem unbeobachteten Moment griff er Ramona Braun vor der Sitzecke mit dem Messer an und verletzte sie. Sie fiel auf die Couch, rappelte sich dann aber wieder auf und kämpfte um ihr Leben: wehrte weitere Stiche mit dem Oberarm ab, griff in die Messerklinge und riss dem Angreifer Haare aus. Anschließend versuchte sie in Richtung Wohnungstür zu flüchten. Doch der Täter holte sie mit wenigen Schritten ein und stach weiter auf ihren Rücken ein, wobei er die Waffe von oben nach unten führte. Ramona Braun sank zu Boden und blieb reglos auf dem Rücken liegen. Das zeigte mir eine der beiden eingetrockneten Blutlachen auf dem Boden. Der Täter hatte sie anschließend in die Embryostellung – einer stabilen Seitenlage gleich – gedreht und ihr in einer dritten Serie weiter in den Rücken gestochen. Diesen Rückschluss konnte ich aus den – diesmal waagerechten – Wundrändern ziehen, aus denen das Blut senkrecht nach unten gelaufen war und auf dem Teppich den zweiten Blutsee gebildet hatte. Besonders auffällig waren für mich sieben Stiche in den Nacken und die von hinten geführten Schnitte durch die Kehle der Frau. Diese Verletzungen hatte ihr der Täter in zwei erneuten Serien beigebracht, sie waren gezielt gegen den Hals gerichtet und hatten beinahe ihren Kopf abgetrennt.
Mir wurde klar: Der Täter hatte Ramona Braun mit absolutem Tötungswillen umgebracht. Und noch eine Spur musste ich bei der Rekonstruktion berücksichtigen. Warum war der BH der Frau zerschnitten? Da es in BH-Höhe keine Stichverletzung am Rücken des Opfers gab, konnte dies nicht zufällig geschehen sein. Der Täter hatte also gezielt das Dessous zerschnitten. Nur warum?
Nach der Tötung flüchtete der Täter nicht sofort. Auch jetzt handelte er weiterhin zielgerichtet: Er ging ins Badezimmer, wusch sich seine blutigen Hände, durchsuchte Wohnung und Handtasche und steckte dabei Portemonnaie, Ausweise und die Wohnungsschlüssel des Opfers ein. Mit dem
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