Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Tag des ersten Mordes – vormittags mit ihrer Großmutter zur Bank schickt, um das Arbeitslosengeld abzuholen, und erwartungsgemäß keine Mark auf dem Konto ist, gibt es für ihn kein Zurück mehr.
»Der Anruf bei der Prostituierten hat die Tat in die Wege geleitet. Ich werde nie den Nachmittag vergessen, als ich auch getrunken hatte. Ich machte Übungen mit dem Messer, stach in die Tür. Ich rannte ruhelos in der Wohnung herum, mein Kopf dröhnte, und ich sah mir zur Ablenkung einen Film mit Kirk Douglas an, 20000 Meilen unter dem Meer . Was ich auch tat – nichts half. Ich wusste, dass ich die Tat machen würde. Dann bin ich losgefahren.«
Hier war sie wieder – die Geldgeschichte, die er uns schon in der Vernehmung als einzigen Grund aufgetischt hatte. Blieb er also bei seiner Darstellung, dass es bei den Morden nur um Raub gegangen war? Aber seine Antwort überraschte mich. »Es war die Kombination aus Geld und Phantasie: Es musste Geld her, damit meine Freundin endlich Ruhe gibt und dieser finanzielle Druck aufhört. Ich wollte ihr imponieren, dass ich etwas geschafft hatte. Und ich wollte jetzt endlich diese Gewaltphantasien ausleben. Heute finde ich meine Gedanken naiv, aber damals stellte ich mir vor, dass es noch schöner werden würde als bei der Selbstbefriedigung.«
Mit dieser Antwort war der Knoten endgültig geplatzt. Ich wusste, dass ich mehr zu den Hintergründen der Personifizierungen erfahren würde. Was Herbert Ritter im Folgenden erzählte, überstieg meine Überlegungen als Fallanalytiker in vielen Punkten.
Das Resultat der Tat ist für den Mörder ernüchternd. Zwar hat er über 2000 Mark erbeutet, doch seine Phantasien hat er nicht einmal ansatzweise befriedigen können, und auch die Tötung der Frau hat ihm keine Genugtuung verschafft, denn sie war nur Mittel zum Zweck.
»Vor der Tat gab es die Bilder – einen riesigen Topf gefüllt mit Gewalt in allen Variationen. Unmittelbar nach dem Mord war er leer. Ich habe die Phantasien nicht mehr wahrgenommen und fühlte mich befreit. Doch als ich später wieder nach Hause kam, da habe ich sehr schnell gespürt, dass der Topf sich kein bisschen geleert hatte, sondern bis ganz oben gefüllt war und immer noch überlief.«
Ich fragte Herbert Ritter, weshalb zwischen der ersten und der zweiten Tat nur drei Wochen lagen. Schließlich hatte er doch über 2000 Mark erbeutet. »Es waren dieselben Gründe wie bei der ersten Tat. Und noch etwas: Ich hatte mich wie ein kleiner König gefreut, dass der finanzielle Druck erst einmal weg war. Doch meine Freundin hat mir nicht die Wertschätzung entgegengebracht, die ich mir erhofft hatte. Schließlich hatte ich doch für sie getötet.«
Die in der Literatur bei Serienmördern beschriebene »Abkühlungsphase« hat es für Herbert Ritter nicht gegeben, und er hofft, sich bei der zweiten Tat endlich von seinen Gewaltphantasien zu befreien, doch auch dieses Mal entsteht aus äußeren Zwängen und dem Drang nach dem Ausleben von Gewalt eine unheilvolle Kombination.
Als ich versuchte, mehr über den »überquellenden Phantasietopf« zu erfahren, spürte ich sofort, wie Herbert Ritter wieder Barrieren gegen den Einblick in sein Innerstes aufbaute und auswich. Statt auf meine Frage zu antworten, berichtete er von »anderen Bildern«, die ihm »jetzt gerade vor den Augen vorbeiziehen«. Doch welche das waren, verriet er mir nicht. Ich wechselte zu einem neutralen Thema und erkundigte mich nach seinen Überlegungen bei der Auswahl der Tatorte und den Prostituierten als Opfer. Augenblicklich fand er zu seiner offenen Erzählweise zurück, die Bilder schien er schnell verdrängt zu haben. »Ich kannte mich dort aus. Wusste, wie ich dort hinkomme, wie ich dort wegkomme. Wusste auch, wie ich mich als angeblicher Freier verhalten musste, um keinen Argwohn bei den Frauen aufkommen zu lassen. Das war die Sicherheit, die ich brauchte.«
Ich ließ ihn noch eine Weile erzählen und fragte ihn dann scheinbar beiläufig, wie es kam, dass trotz der extremen Gewalt bei den Tötungen seine Phantasien nicht befriedigt wurden. Diesmal hatte ich Erfolg. Herbert Ritter ging nicht nur auf meine Frage ein, seine Antwort grenzte fast an eine psychologische Analyse: In seiner Wahrnehmung waren Illusion und Realität zwei Welten, die nicht zueinander passten.
»Ich hatte zwar meine Phantasien, sie bei den Taten umzusetzen, schaffte ich jedoch nicht. So als würden sie nichts mit der Realität zu tun haben. Hinterher bei der
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