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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Petermann
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ist so unterschiedlich, dass die statistisch ermittelten Verteilungshäufigkeiten im Milliarden-bis Billionenbereich liegen. Bei einer Weltbevölkerung von knapp sieben Milliarden Menschen heißt das, die Wahrscheinlichkeit, dass man bei zwei Menschen eine identische Verteilung findet, tendiert gegen null – einzige Ausnahme sind eineiige Zwillinge. Damit liefert die heutige DNA-Analyse sehr aussagekräftige Ergebnisse, um Personen als Spurenleger zu überführen oder auch zu entlasten.
    Mit diesen Früchten der Forschung bot sich mir eine zweite Chance, die Spuren im Fall der ermordeten Wilhelmine Heuer erneut untersuchen zu lassen. Ich nahm mir daher noch einmal die Akte vor, denn trotz früherer gegenteiliger Auskünfte war ich zuversichtlich, dass bei Cellmark Diagnostics oder im deutschen Institut noch Reste des Spurenmaterials lagerten. Sei es als Scheidenausstrich auf einem Mikroskoppräparat oder als bisher nicht untersuchte winzige Spermaspur auf der Kleidung des Opfers. Aber auch jetzt hieß es auf meine entsprechenden Anfragen lakonisch, sämtliches Spurenmaterial sei bei den früheren Analysen verbraucht worden. Da inzwischen geringste Mengen von Körperflüssigkeiten für ein DNA-Profil ausreichten, mochte ich das nicht glauben. Also fragte ich in unregelmäßigen Abständen in beiden Instituten nach und forschte nach den Mikroskoppräparaten des Rechtsmediziners, der Wilhelmine Heuer obduziert hatte.
    Trotzdem vergingen noch einmal Jahre, bis ich bei einer erneuten Anfrage Erfolg hatte. Tatsächlich lagerte in einem der beiden Institute noch tiefgefroren ein Stück von Wilhelmine Heuers Rock. Und bei der Untersuchung der Probe war ein auffälliger Antragungsbereich entdeckt worden. Er entpuppte sich als winziger Spermafleck, der jedoch völlig ausreichte, um per PCR ein DNA-Profil zu erstellen.
    Nach wenigen Tagen lag das Ergebnis vor: Fritz Henkel kam definitiv nicht als Täter infrage. Die am Rock des Opfers gesicherte Spermaspur kam statistisch nur ein Mal unter fast einhundert Milliarden Männern vor – also nahezu dreißigmal seltener, als es Männer auf der Erde gibt. Bei der klassischen Blutgruppenbestimmung des am Pullover gefundenen Spermas war das Verhältnis noch eins zu hundertachtzig gewesen. Ein echter Quantensprung in der Präzision der Resultate.
    Für unsere Ermittlungen war das Ergebnis hingegen ein kriminalistischer Super-GAU, der zeigte, dass die scheinbar hieb-und stichfeste Beweiskette versagt hatte. Ich hatte mich geirrt und einen Unschuldigen nahezu zwanzig Jahre zu Unrecht der Vergewaltigung und des Mordes verdächtigt.
    Ich fuhr mit Bier, Zigaretten und einem Präsentkorb zu Fritz Henkel. Obwohl ich ihn in den Jahren hin und wieder aufgesucht hatte, um doch noch Ansatzpunkte für ein spätes Geständnis zu finden, war ich erschrocken, wie alt und gebrechlich er geworden war. Ich berichtete ihm von seiner späten Rehabilitierung und fragte, wie ich meinen Fehler wiedergutmachen könnte. Fritz Henkel war sprachlos. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie es ihm in den langen Jahren ergangen sein musste: Die unterschwelligen Zweifel seiner Kinder und der Nachbarn an seiner Unschuld hatten ihn scheu werden lassen. Doch Fritz Henkel blieb bescheiden, hatte keine großen Wünsche und bat mich lediglich darum, ihn gelegentlich zu besuchen und die Blumenkästen auf dem Balkon zu bepflanzen. Seine Frau Käthe würde Blumen so sehr mögen, und er sei wegen seines Alters dazu nicht mehr in der Lage. Seinen Wunsch habe ich ihm gerne erfüllt: Wenige Tage später leuchteten rote Geranien vom Balkon.
    In der folgenden Zeit habe ich Fritz Henkel und seine Frau häufiger besucht. Zunächst in ihrer Wohnung und später im Altenheim. Über den Fall haben wir nur noch selten gesprochen. Und nie kam die Sprache darauf, weshalb Fritz Henkel zweimal seinen inzwischen bei einem Unfall ums Leben gekommenen Sohn des Mordes bezichtigt hatte. Die Vergangenheit sollte ruhen. Jedenfalls soweit sie ihn betraf. Als ich Fritz Henkel dann von meinem Vorhaben berichtete, in einem Buch über meine Arbeit als Mordermittler und Fallanalytiker auch seine Geschichte zu erzählen, war er sofort einverstanden, ohne auch nur Bedingungen zu nennen. Vielleicht sah er hierin auch die Chance einer späten Rehabilitierung.
    Ich dachte über die Gründe meiner falschen Einschätzung nach und fragte mich, ob ich zu sehr den Einzelergebnissen der Spurenuntersuchung und der Kombination der verschiedenen Gutachten geglaubt hatte,

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