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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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dagegen, mehr aus Routine denn aus wirklicher Wut. Dann fielen mir wieder meine Besucher vom Morgen ein, was die Phase des Ärgerns auf fast Null verkürzte. Ich machte mich an die Arbeit.
    Gut eine halbe Stunde später war ich in Schweiß gebadet, dreckverschmiert und das Rad war gewechselt. Ich wuchtete die Felge mit dem platten Reifen auf die Ladefläche und in die Halterung hinter der Fahrerkabine, sammelte den Wagenheber und das Werkzeug ein und war zur Weiterfahrt fertig, als drei Reiter in schnellem Trab auf mich zukamen. Zwei davon, darauf hätte ich jeden Betrag gewettet, waren bestimmt meine frühmorgendlichen Besucher, die sich anscheinend Verstärkung geholt hatten. Ich zog mit zitternden Händen das Gewehr aus seinem Versteck und legte es griffbereit auf die Ladefläche. Sie gleich mit schussbereiter Waffe in der Hand zu empfangen, schien mir nicht angeraten. Überhaupt sollte der Griff zum Gewehr sowieso nur die letzte Möglichkeit sein, da ich befürchtete, bei einer solchen Konfrontation den Kürzeren zu ziehen.
    Die drei Männer brachten ihre Pferde gut zwanzig Meter vor mir zum Stehen. Wie ich vermutet hatte, waren es die beiden Stockmen. Der Neue stieg vom Pferd herab und gab die Zügel dem Jüngeren, der zusammen mit seinem Gefährten im Sattel sitzenblieb, während der Unbekannte mit langsamen Schritten, wobei er wie gebannt auf meinen Wagen starrte, auf mich zukam. Schon seine ersten Worte machten deutlich, dass er ein paar Jahre mehr in der Schule zugebracht haben musste.
    »Guten Tag, Sir. Ich bin William Brahe.« Und damit streckte er mir die Hand entgegen. Im ersten Moment war ich zu verdutzt, um etwas darauf zu antworten oder seine Geste zu beantworten. Dann wischte ich mir instinktiv die fettverschmierte Hand an den Shorts ab, ergriff die seine und schüttelte sie, wobei ich ihm meinen Namen nannte. Mein Gegenüber war höchstens einen Meter siebzig groß, hager, hatte eingefallene Wangen, schulterlanges dunkelblondes Haar und einen ziemlich zerfransten Kinnbart. Seine blauen Augen wirkten müde, sein Blick war sorgenvoll und die Hand, die ich schüttelte, war rau, und ich spürte Risse und Narben in der Haut. Er trug lange, helle und ziemlich schmutzige Hosen aus grobem Baumwollstoff, die in wadenhohen Lederstiefeln steckten. Ein grobes Hemd ohne Kragen, darüber eine Lederweste und ein Halstuch. Auf dem Kopf hatte er einen altertümlich spitz zulaufenden Hut mit breiter, runder Krempe. Von der Kleidung her machte er einen genauso abgerissenen Eindruck wie die beiden anderen. Aber nach meinem Reifenwechsel sah ich bestimmt auch nicht besser aus.
    »Meine beiden Gefährten, Perdy und Jonathan« – dabei deutete er auf die beiden Männer hinter sich, die mir bei der Nennung ihres Namens zunickten, so als ob sie am Morgen nicht ausreichend Zeit gehabt hätten, sich vorzustellen – »haben mir erzählt, dass sie hier einen Weißen getroffen haben.«
    Das klang so, als ob sie nicht mich, sondern die Pyramiden entdeckt hätten. Es klang so, als ob ich triftigen Grund für mein Hiersein nennen müsste. Und es klang nach Rassismus. Das Lächeln, was dabei über Brahes Gesicht huschte, nahm seiner Bemerkung allerdings etwas an Schärfe. Ich beschloss, dennoch vorsichtig zu sein.
    »Was ist daran so ungewöhnlich?«
    »Nun«, meinte er zögernd, von meiner Frage etwas überrascht, »wir sind hier weit weg von jeder Ansiedlung …« Und fügte wie zur Verdeutlichung hinzu: »Verdammt weit weg.«
    Irgendwie stimmte das auch, wenn man einmal von Innamincka-Station absah, wo bestenfalls zehn Personen ständig lebten und man das bestimmt nicht als Ansiedlung bezeichnen konnte. Aber mir war klar, dass er es ganz anders meinte, doch wie, das wusste ich nicht. Wir standen uns wortlos gegenüber. Ich musterte den Mann vor mir und dieser meinen Wagen. Ich schob meinen Akubra in den Nacken und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Dann rückte ich den breitkrempigen Hut wieder sorgfältig zurecht und unternahm einen Anlauf, das Gespräch in Gang zu bringen.
    »Was macht ihr hier? Treibt ihr Vieh zusammen?« Er schaute mich erstaunt an. Dann schüttelte er den Kopf, so als ob ich ihn gerade verdächtigt hätte, eine Postkutsche überfallen zu wollen.
    »Nein. Wir haben unser Lager ein paar Meilen weiter oben am Creek aufgeschlagen und warten auf die Rückkehr von Superintendent Burke und seine Gefährten.«
    Polizei, dachte ich, seltsam. Was wollte die hier? Aber unwahrscheinlich war es ja nicht.

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