Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land
Minnesota, aber dort gefiel es ihr nicht. Zu weit weg von zu Hause. Sie und ihr Mann haben College-Abschlüsse in der Fachrichtung Landwirtschaft. Er arbeitet jetzt in einem Großkonzern, der Landwirtschaftsmaschinen herstellt. Sie kümmert sich zu Hause um die Kinder. »Wir sind Hobby-Farmer geworden.« Doch sie kenne durchaus Leute, die ihre Familie noch von der Landwirtschaft ernährten und das auch könnten. Irgendwie klingt das trotzig. Ach, Joe.
Zum Abschied empfiehlt Laura mir, Cheese curds zu kaufen. Sehr fürsorglich und erkennbar darum bemüht, mir eine regionale Spezialität ans Herz legen zu können. In ihrer Kindheit, so erzählt sie sehnsüchtig, hätten die Farmer noch warmen Käse von großen Laibern abgeschnitten und die Scheiben für ein paar Cent verkauft. So etwas könne man heute nicht mehr finden. Aber die Cheese curds seien auch sehr gut. Sie glaube nicht, dass es die noch woanders gebe als in Wisconsin.
Doch, es gibt sie auch woanders. Aber das ist mir unbegreiflich. Cheese curds gibt es vor allem an Tankstellen zu kaufen. Harte, gekühlte, klumpige Käsestückchen in einer Plastiktüte. Sie schmecken nach nichts. Nicht einmal schlecht. Einfach nach nichts.
»Ich weiß nicht, ob es in Wisconsin ein Käseprobierfest gibt, aber ich als Käseliebhaber meine, das sollte es. Überall gibt es Käse, Käsecenter, Käsegenossenschaften, Käseläden und Käsestände, vielleicht sogar Käseeis. Ich halte alles für möglich, seit ich eine Reklame für Schweizer-Käsekonfekt gesehen habe.« Schrieb John Steinbeck. Vor knapp einem halben Jahrhundert.
Mein nächstes Ziel ist Sauk Centre, Minnesota. Weil Steinbeck dorthin auch gefahren ist, obwohl er behauptete, nicht recht zu wissen, warum. Er vermutete, es hinge damit zusammen, das dies der Geburtsort des Schriftstellers Sinclair Lewis war, den er schätzte. Als Schüler habe er Main Street gelesen, und er erinnere sich noch »an den wütenden Hass, den der Roman in seiner Geburtsstadt und in ihrer ganzen Umgebung hervorgerufen hatte«. Verständlicherweise: Lewis hatte die Stadt als Vorlage für seine beißende Kritik an der Mittelschicht der USA benutzt, der er Gefühlsarmut und Mangel an Werten vorwarf.
»Der einzige gute Autor ist ein toter Autor«, schrieb Steinbeck. »Der kann niemanden mehr überraschen und niemanden mehr verletzen.« Sarkastisch stellte er fest, dass es in Sauk Centre jetzt immerhin eine Gedenktafel gebe, die an den Schriftsteller erinnere, und dass Sinclair Lewis nun gut sei für die Stadt: »Bringt ihr ein paar Touristen ein. Jetzt ist er ein guter Autor.«
Bei der Gedenktafel ist es nicht geblieben. Schon auf der Autobahn wird man von riesigen Schildern angeschrien: »Boyhood home of Sinclair Lewis – Jugendheimat von Sinclair Lewis«. Der Besitzer des Motels, in dem ich übernachte, informiert mich sofort und ungefragt, dass es hier ganz viel zu sehen gebe, was mit dem Schriftsteller zu tun habe. Seine Augen leuchten, als ich ihm erzähle, dass auch ein Dichter namens John Steinbeck mal in Sauk Centre gewesen sei. Man sieht, wie es in seinem Kopf arbeitet, und er überlegt, welche Möglichkeiten es wohl geben könne, diese wundervolle Nachricht zu vermarkten. »Obwohl ich´s ja nicht so habe mit dem Lesen«, meint er dann. »Dafür ist meine Frau zuständig.«
Vom 13. bis zum 19. Juli 2008 sollen »Sinclair Lewis Tage« hier stattfinden. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Schönheitswettbewerb und eine Schatzsuche. Die ehemalige 3rd Street heißt inzwischen Sinclair Lewis Avenue. Sein Elternhaus kann man besichtigen, und es gibt auch ein Museum, in dem eine Büste seines Kopfes steht und sein Leben dargestellt wird. Es ist in demselben Gebäude untergebracht wie die örtliche Handelskammer, was dem linken Schriftsteller als ironische Wendung vielleicht gefallen hätte. Weniger gefallen hätte ihm wohl, dass in dem Museum von seinen politischen Überzeugungen und Aktivitäten so gar nicht die Rede ist.
Aufschlussreich ist das Museum dennoch – auch wenn man hinterher mehr über die tonangebende Schicht in Sauk Centre weiß als über Sinclair Lewis. 1930 erhielt er als erster Amerikaner den Nobelpreis für Literatur. Erläuterung dazu in der Ausstellung: »Die Wahl von Lewis für den Preis war umstritten, aber es zeigte, dass Europa endlich Amerika als literarische Macht akzeptiert hatte.« Und: »Lewis erhielt ungefähr 48000 Dollar.« Ach, darum ging es? Um die Anerkennung des literarischen Amerika? Und ums
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