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Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land

Titel: Auf der Suche nach Amerika - Begegnungen mit einem fremden Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Gaus
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Safford deshalb neugierig gemacht, weil alle verfügbaren Informationen über die Stadt auf eine große Erfolgsgeschichte hindeuten. Natürlich widerspricht der Einzelfall einer unglücklichen Frau dem nicht. Er drückt nur auf die Stimmung.
    Dass es mit Safford aufwärtsgeht, bestätigt bereits der Augenschein. Die Zubringerstraße zur etwa 50 Kilometer entfernten Autobahn wird gerade vierspurig ausgebaut. Auf dem Weg zum Discovery Park, einer Ausstellung und Studienstätte des Eastern Arizona College zum Thema Astronomie, entsteht eine große Siedlung mit Energiesparhäusern. Die werden dringend gebraucht: Eine neue Kupfermine soll von 2008 an ausgebeutet werden. Dank moderner Technologie angeblich fast ohne Umweltverschmutzung, weshalb diese industrielle Entwicklung wohl auch den weiteren Zuzug von Rentnern nicht behindern wird, die hier unweit des mächtigen Mount Graham ihren Lebensabend verbringen wollen. Schon in den letzten Jahren sind viele gekommen. Sie schätzen das abwechslungsreiche Freizeitangebot, das vom Golfplatz in der Wüste bis zu Bergwanderungen reicht, bei denen seltene Pflanzen und Tiere zu sehen sind. Auf dem Mount Graham steht übrigens auch ein Observatorium – mit dem stärksten Teleskop der Welt.
    Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll sich die Einwohnerzahl des ehemals abgelegenen Provinzstädtchens Safford verdoppeln, in dem derzeit etwas mehr als 9000 Leute leben. Neue Arbeitsplätze, wissenschaftliche Höchstleistungen und zugleich ein Rentnerparadies. In Safford hat die Zukunft begonnen.
    »Technologie ist der neue Wilde Westen«, sagt John Ratje. Soll heißen: Darin liegt heute die Chance auf Erfolg, Ruhm, Reichtum und Glück von Pionieren der Gegenwart. Der 61-jährige Ingenieur ist College-Dozent und Leiter des Obervatoriums auf dem Mount Graham. Vor einigen Jahren hat er das Projekt des Discovery Parks entwickelt. Gerade überwacht er den Fortschritt einiger »Führer von morgen«, wie die Internetseite des Parks die Studenten etwas vollmundig nennt. Es geht, anspruchsvoll genug, um Raketentechnik.
    Monatelang haben sich die Absolventen eines Physikkurses auf den heutigen Tag vorbereitet. Raketen aus Papier werden abgeschossen, sollen auf einer genau berechneten Bahn in einem exakten Winkel fliegen und so landen, dass ein rohes Ei innerhalb des Modells nicht zerbricht. Schwierig. Sehr schwierig. Und spannend: »5-4-3-2-1-Abschuss!«
    »Das war exzellent!«, ruft John. Patrick Young, ein junger Indianer mit langen schwarzen Haaren, hat eine Punktlandung hingelegt. Das wird ein A, die bestmögliche Note. Seine Mutter, die ebenso wie andere Eltern zum Zuschauen gekommen ist, strahlt glücklich. Die Krankenschwester trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift »stolze Apachen-Mama«. Patricks Vater züchtet Pferde. Die Familie hat nie in einem Reservat gelebt.
    Hat Patrick eigentlich das Gefühl, dieselben Chancen zu haben wie seine weißen Kommilitonen? Oder fühlt er sich in irgendeiner Hinsicht diskriminiert? Nur sehr selten hat jemand so erkennbar ungern mit mir gesprochen wie dieser Student. Er wendet den Blick ab, schweigt. Lange. Schließlich sagt er leise: »Ich möchte niemanden beleidigen.« Dann bittet er mich darum, ihn zu entschuldigen. Er will sein Raketenmodell noch einmal genau untersuchen.
    Das Lob von John Ratje für Patrick Young klang in meinen Ohren etwas übertrieben. Es erinnerte mich an die Begeisterung, mit der manche Eltern von Kleinkindern so tun, als würden sie deren im Sandkasten gebackene Kuchen tatsächlich verspeisen. Aber vielleicht ist das ungerecht. Man verlangt viel von einem einzelnen Lehrer, soll er nach Jahrhunderten der Misstöne jetzt ganz selbstständig den richtigen Ton treffen, ohne hilfreiche Richtlinien für jeden Einzelfall.
    In mancherlei Hinsicht ist eine Reise, wie ich sie unternehme, tatsächlich ein Mikrokosmos des normalen Lebens. Ich fange an, mich daran zu gewöhnen: Über Tage hinweg erlebe ich kaum etwas Bemerkenswertes. Langweilig ist es oft gerade dort, wo ich besonders interessante, aufschlussreiche Begegnungen erwarte. Dann, ganz plötzlich, verdichten sich innerhalb weniger Stunden die Gegensätze der Gesellschaft, die Vergangenheit und die Zukunft, die Hoffnungen und die Enttäuschungen von Menschen zu einem nur scheinbar wirren neuen Mosaik. Das den Blick aufs Ganze verändert.
    Idaho und Arizona: nicht die Orte, an die der Rest der Welt als Erstes denkt, wenn es um die Zukunft der Vereinigten Staaten und um die Frage nach

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