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Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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könnte , sondern wird .«
    Sie tranken noch mehr. Zu viel. Krishnamurthy berichtete über seine Reise von Kazeh zurück nach Sansibar. In Burtons Kopf verschwammen die Gedanken.
    Ein Portier tauchte auf. »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er. »Eine Nachricht für Sie, die per Läufer eingetroffen ist.«
    Burton ergriff den ihm dargebotenen Zettel. Er sah Krishnamurthy an. »Das muss von Palmerston sein.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weil ein Läufer nur wissen kann, wo ich gerade bin, wenn er von jemandem geschickt wurde, der mich beobachten lässt.«
    Er faltete den Zettel auseinander und las:
    Heute Vormittag wurde Lieutenant John Hanning Speke von einem Kriegsgericht des Hochverrats für schuldig befunden. Er wird bei Sonnenaufgang am Freitag durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Sein letzter Wunsch lautet, Sie zu sehen. Dieser wurde ihm gestattet. Bitte finden Sie sich so bald wie möglich bei ihm ein. Burke und Hare werden Sie begleiten.
    Henry John Temple, dritter Viscount Palmerston
    Fluchend reichte Burton die Nachricht seinem Freund.
    Krishnamurthy las sie und meinte: »Weil er den Preußen geholfen hat?«
    »Ja. Aber er hat nie aus eigenen Stücken gehandelt. Von Beginn dieser ganzen Angelegenheit an ist Speke manipuliert und ausgenutzt worden.«
    »Gehst du hin?«
    »Ja.«
    Die beiden Männer tranken bis nach Mitternacht weiter, dannverabschiedeten sie sich voneinander und brachen   – etwas unstet   – zu ihren jeweiligen Heimen auf.
    Auf den Hauptstraßen der Stadt sättigte elektrische Beleuchtung den Nebel und verlieh ihm einen schmutzig orangen Schimmer. Schwarze Flocken rieselten herab und setzten sich auf Burtons Schultern und Zylinder. Der Agent des Königs wickelte sich einen Schal um das Gesicht, stützte sich schwer auf seinen Schwertstock, lief ein kurzes Stück die Pall Mall entlang und bog dann in die Regent Street. Ungeachtet der späten Stunde hatte sich der Verkehr nicht gelichtet, und immer noch verstopften übellaunige Fußgänger die Gehwege, deshalb schwenkte er nach rechts und hielt sich an die Nebenwege, die zwar dunkel und schmutzig waren, aber wenigstens ein schnelleres Vorankommen ermöglichten.
    Der berühmte Entdecker verfluchte sich dafür, so viel getrunken zu haben. Er war noch nicht ausreichend erholt, um einen Rausch zu bewältigen. Burton fühlte sich krank und schwach.
    Von Gasse zu Gasse lief er an kauernden Gestalten und zerbrochenen Fenstern vorbei, verlor die Orientierung und geriet zu weit nach Norden.
    Er fand sich in einem Geflecht schmaler Passagen wieder. Ein zerlumpt gekleideter Mann trat aus der Dunkelheit hervor und zückte einen Dolch. Burton zog seinen Schwertstock und lächelte bösartig. Der Mann wich zurück, hob die Hände und sagte: »Nix für ungut, Mister!« Dann nahm er Reißaus.
    Der Entdecker ging weiter, bog nach links, stolperte über eine achtlos weggeworfene Kiste und trat wütend dagegen. Zwei Ratten huschten darunter hervor und trippelten davon.
    Der Agent des Königs lehnte sich an einen Laternenmast. Er zitterte am ganzen Leib.
    »Reiß dich zusammen, du Hohlkopf!«, raunte er knurrend. »Schaff dich nach Hause!«
    Er bemerkte ein ausgebleichtes, am Mast angebrachtes Flugblatt und las:
    Arbeit diszipliniert den Geist.
    Arbeit entwickelt den Charakter.
    Arbeit stärkt die Seele.
    Lass deine Arbeit nicht von Maschinen machen!
    Es war alte Propaganda der Libertins. Vor einigen Jahren hatten sie eine ernst zu nehmende Bewegung dargestellt, doch mittlerweile herrschten die Technokraten vor, und die Libertins wurden in den Zeitungen nur noch ins Lächerliche gezogen. Wie, so fragte sich Burton, würde die Welt aussehen, wenn es umgekehrt wäre?
    Er setzte den Weg fort.
    Was, wenn Edward Oxford nie zurück durch die Zeit gesprungen wäre? Die Libertins und die Technokraten verdankten ihm ihre Existenz   – wäre die Welt so anders, wenn es die beiden Gruppierungen nie gegeben hätte?
    Edward Oxford.
    Alles ging auf ihn zurück. All die Abweichungen von der eigentlichen Geschichte waren nur durch seine Einmischung möglich geworden.
    Burton bog um eine weitere Ecke und blieb stehen. Er hatte eine lange, gerade Straße betreten, gesäumt von hohen Ziegelsteinmauern, und trotz der Düsternis und des Nebels erkannte er sie   – denn er hatte unterbewusst auf die Stelle zugehalten, an der er seine erste Begegnung mit Oxford gehabt hatte   … mit Spring Heeled Jack.
    Der verdammte Richard Francis Burton!
    Dein Schicksal sieht anders

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