Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
Sie weiteten sich aus, wurden flacher und schwebten auf die Straßen hinunter. In den Lärm der noch immer andauernden Schüsse mischten sich gedämpfte Schreie.
»Was geht da vor sich?«, flüsterte Wells.
Wenige Minuten später kamen britische Soldaten zwischen den brennenden Gebäuden hervorgerannt. Sie ließen ihre Gewehre fallen, fuchtelten wild mit den Armen und brüllten vor Schmerzen. Etliche fielen zu Boden und zuckten, dann lagen sie still. Einer, ein Askari, kämpfte sich den Hang hinauf und sackte vor den beiden Beobachtern zusammen. Er wand sich, zappelte. Irgendetwas wimmelte auf seiner Kleidung. Ein rasselndes Geräusch stieg aus seiner Kehle, seine Augen rollten nach oben, und er starb.
Der Mann war von Bienen übersät.
»Wir müssen hier weg!«, brüllte Wells. »Das ist Teufelswerk der Eugeniker!«
Mittlerweile kamen etliche weitere Männer den Hang hinauf in ihre Richtung. Alle schrien vor Schmerz.
Burton zerrte Wells auf die Beine, reichte ihm die Krücken und zog ihn von ihrem Beobachtungspunkt zurück nach Kaltenberg. Hinter ihnen näherten sich Schüsse.
»Gegenangriff!«, rief Wells. »Lauf voraus, Richard. Verschwinde von hier. Ich halte dich nur auf.«
»Sei kein Narr!«, entgegnete Burton keuchend. »Was ist das für ein lächerlicher Krieg, in dem unsere Streitkräfte von Bienen besiegt werden können?«
Noch während er sprach, landete eines der Insekten auf seinem Handrücken und stach ihn. Dann ließ sich eine weitere Biene auf seinem Hals nieder. Und noch eine auf seinem Kiefer. Die Schmerzen waren hundert Mal schlimmer als bei einem normalen Stich. Schreiend schlug Burton nach den Insekten. Augenblicke später erfasste ihn Benommenheit. Sein Herz raste, als das Gift sich in seinem Körper ausbreitete. Er geriet ins Straucheln, stellte jedoch fest, dass er zu beiden Seiten von britischen Soldaten gestützt wurde, die ihn mit sich schleiften.
»Komm schon, Kumpel!«, forderte einer ihn auf. »Beweg deinen Hintern!«
»Bertie!«, brüllte Burton, doch das Wort drang lallend aus seinem Mund.
»Mach dir keine Sorgen um deinen Freund«, sagte der andere Soldat. »Dem wird auch geholfen. Bleib in Bewegung. Bist du gestochen worden?«
»Ja …« Burtons Beine gaben nach, und vor seinen Augen verschwamm alles. Er sah nur noch den vorbeirasenden Boden. In seinen Ohren summte es. Die Stimmen der Soldaten drangen wie aus weiter Ferne zu ihm.
»Der ist abgetreten«, sagte einer der Männer. »Lass ihn fallen.«
»Nein. Er hat nur das Bewusstsein verloren.«
»Er hält uns auf. Aaah! Ich bin gestochen worden!«
»Ich lasse keinen Mann zurück, der noch lebt. Hilf mir, verdammt!«
Ein Schuss. Das Zischen einer Kugel.
»Sie haben uns eingeholt!«
»Lauf! Lauf!«
*
Verschwommen kehrten Burtons Sinne zurück. Zwei Männer schleiften ihn mit sich.
»Ich kann laufen«, murmelte er, zog die Beine unter sich, stellte sich hin und öffnete die Augen.
Licht blendete ihn. Es gleißte vom Himmel herab und vom Sand empor.
Er hob eine Hand, um die Augen abzuschirmen, und ertastete eine Beule über der rechten Augenbraue, die klebrig war von Blut.
»Ist Ihnen schwindlig, Captain?«, fragte Wordsworth Pryce, der zweite Offizier der Orpheus .
»Sie haben einen ziemlichen Schlag abbekommen«, bemerkte ein anderer Mann. Burton erkannte die Stimme als die von Cyril Goodenough, einem der Maschinisten.
Für einen Moment wurde dem Entdecker schwarz vor Augen, dann wurde sein Blick wieder scharf. Er schaute sich um und krächzte: »Es geht mir gut, bin nur ein wenig benommen. Wir sind abgestürzt?«
»Die Bombe hat unsere Steuerbordmotoren zerstört«, antwortete Pryce. »Zum Glück sind wir tief geflogen. Trotzdem haben wir uns umgedreht und sind mit höllischer Wucht auf die Erde geknallt.«
Burton erblickte die Orpheus .
Das gewaltige Rotorschiff lag verkehrt herum auf riesigen Wüstendünen. Der Rumpf war zerbrochen, die Flugachsen zerrissen, die Teile weit verstreut. Dampf strömte aus dem Wrack und stieg kerzengerade in einen klaren blauen Morgenhimmel. Die Sonne war erst vor Kurzem aufgegangen, dennoch herrschte bereits drückende Hitze. Die Trümmer warfen lange Schatten. Ebenso die Gestalten, die daraus hervorkletterten, und die Leichen, die diese Männer ein Stück vom Schiff entfernt nebeneinander im Sand aufreihten.
Dann tauchte William Trounce an Burtons Seite auf. Die Jacke und das Hemd des Ermittlers waren zerfetzt und blutig, aber seine Verletzungen – Platzwunden,
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