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Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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Burton hatte soeben ein Taschenmesser benutzt, um einen Sandfloh unter der Haut des Kriegsberichterstatters hervorzupulen. Aus den Bäumen rings um sie vermischten sich das Kreischen der Vögel und das Geschrei der Affen zu einem misstönenden Krawall. Hoch über ihnen kreisten Adler majestätisch am blendend hellen Himmel.
    Das Gelände vor den beiden Männern verlief abschüssig zu den Häusern und Hütten der Randbezirke von Tanga.
    Burton kniff die Augen zusammen und ließ den Blick über die Dächer der weitläufigen Ortschaft zum Meer dahinter schweifen. Es war, als würde man durch Glas blicken. Die Atmosphärewirkte vor Hitze wie verfestigt. Die Luftfeuchtigkeit lastete schwer auf Burton und ließ seine Haut kribbeln. Das Atmen war bewusste, willentliche Anstrengung; jeder sengende Zug musste kraftvoll eingesogen werden, denn die Luft bot Widerstand, als wäre sie zu lethargisch, um sich zu bewegen.
    Wells deutete auf ein großes Gebäude im westlichen Teil der Hafenstadt. »Das ist der Bahnhof. Von dort gehen zwei wichtige Linien aus   – die Tanganjika nach Westen zum See und die Usambara hinauf zum Kilimandscharo.«
    »Sprache ist etwas erstaunlich Wandelbares«, murmelte Burton. »Zu meiner Zeit haben wir es Kilima Ndscharo ausgesprochen, so wie die Eingeborenen.«
    »Vermutlich tun manche Leute das noch immer«, erwiderte Wells. »Aber es ist genau diese Wandelbarkeit, durch die Sprache ein so hervorragendes Werkzeug für Imperialisten ist. Zwingt man die Leute, so zu sprechen wie man selbst, denken sie bald auch so wie man selbst. Wir benennen ihre Dörfer, Ortschaften und Berge um, und ehe man sich versieht, bewohnen sie unser Territorium. Daher Kilimandscharo. Aber egal   – wie gesagt, das ist der Bahnhof. Unsere Streitkräfte müssen ihn erobern oder zerstören, um die Bewegungen und die Versorgung der deutschen Truppen zu verlangsamen.« Er zeigte auf ein Kriegsschiff mit zwei Schornsteinen, das in der Bucht vor Anker lag. »Das ist die HMS Fox . Sie ist fast zwei Jahrzehnte veraltet, aber in unserer verzweifelten Lage müssen wir auf alles zurückgreifen, was zur Verfügung steht. Die Fox räumt Minen im Hafen. Sieh dir die Flaggen an. Verstehst du das Signal?«
    »Nein.«
    »Das ist eine Aufforderung zur Kapitulation. Die Transporter des britisch-indischen Expeditionskorps haben ihre Soldaten bereits an den Stränden abgesetzt. Sie warten auf den Befehl zum Angriff. Der Kapitän der Fox wird ihn anführen. Wahrscheinlich wartet er noch darauf, dass Aitken unsere Leute in Position bringt. Wird nicht mehr lange dauern.«
    Burton runzelte die Stirn. »Die Stadt sieht unbewohnt aus.«
    Wells betrachtete sein blutiges Taschentuch und steckte es ein. »Die verkriechen sich alle in den Häusern«, sagte er dann. »Sie wissen seit einigen Tagen, dass ein Angriff bevorsteht.«
    Burton schloss die Augen, nahm seinen Helm ab und massierte sich mit den Fingerspitzen die Kopfhaut.
    Wells schaute ihn an. »Schmerzt deine Tätowierung?«
    »Nein. Es ist nur so, dass   … Ich weiß auch nicht, ich habe das Gefühl, als sollte ich woanders sein.«
    »Geht es nicht uns allen so?«
    Sie verfielen in Schweigen, das ein paar Minuten anhielt. Dann sagte Wells: »Ich habe eine Theorie, was deine Tätowierung angeht. Das Muster sieht afrikanisch aus. Du erinnerst dich immer noch nicht, woher du sie hast?«
    »Nein.«
    »Vielleicht bist du von einem geheimnisvollen Stamm gefangen genommen und gefoltert worden. Es gibt immer noch vereinzelte unabhängige Stämme, vor allem im Gebiet des Blutdschungels, wo man dich gefunden hat. Jedenfalls lässt der Zustand, in dem du warst, auf eine Art Trauma schließen, und die Tätowierung mutet irgendwie ritualistisch an.«
    »Möglich. Allerdings bringt deine Theorie bei mir nichts zum Klingeln. Warum heißt das Gebiet eigentlich Blutdschungel?«
    »Weil es rot ist. Es ist der dichteste, undurchdringlichste Dschungel des gesamten Kontinents. Ich weiß nicht, wie lange die Deutschen schon versuchen, ihn zu verbrennen, aber er wächst schneller nach, als sie ihn vernichten können.«
    Eine Stunde verstrich, als in der Ferne ein Horn erklang. Andere, die sehr viel näher waren, stimmten in das Signal ein.
    Wells stemmte sich auf die Beine, stützte sich auf eine seiner Krücken, hob sein Fernglas an die Augen und meinte: »Es geht los. Wir sind den Kampfhandlungen näher, als mir lieb ist.«
    Aus der Ferne ertönte ein einzelner Schuss. Die Vögel in den Bäumen verstummten

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