Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
betrachten. Wir können also nach wie vor viel von diesen Sternen über das frühe Universum lernen.
Im Mai 2005 waren meine Kollegen und ich dann auf einer internationalen Konferenz in Paris, zu der die meisten Wissenschaftler unseres Feldes angereist waren. Abbildung 10.5 zeigt das Gruppenfoto der Hauptmitglieder unseres Teams. Dort durfte ich einen Vortrag vor ca. 200 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt halten, in dem ich die Entdeckung von HE 1327–2326 rekapitulierte. Ich erklärte dabei sein Häufigkeitsmuster und dessen nukleosynthetische Interpretation, nämlich die Annahme, dass nur einer der ersten Sterne für die beobachteten Elemente und deren Mengen verantwortlich gewesen war.
Abb. 10.5: Gruppenfoto unseres internationalen Metallarme-Sterne-Teams (Australien, Japan, Deutschland, England und USA) bei einem Symposium der Internationalen Astronomischen Union 2005 in Paris.
Der Rekord von HE 1327–2326 ist bis heute nicht gebrochen worden. Derzeit laufen einige Projekte mit dem Ziel, noch weitere dieser außerordentlichen Sterne zu finden. Ein dritter und vierter Stern mit etwa einem Siebzigtausendstel der solaren Eisenhäufigkeit wurde auch schon gefunden, doch natürlich hoffen wir weiterhin auf wesentlich mehr Sterne mit [Fe/H] < –5.0. Denn sie sind nun einmal am besten geeignet, den allerersten Sternen im Universum auf die Spur zu kommen.
10.5. Die Vernetzung der Astronomen
Das wissenschaftliche Feld der Astronomie ist verglichen mit anderen Naturwissenschaften wie zum Beispiel Chemie oder auch Physik ziemlich klein. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Astronomen verhältnismäßig umfangreich mit nationalen und internationalen Kollegen an Projekten gemeinsam arbeiten. Daraus ergibt sich ein sehr eng geknüpftes internationales Netz, bei dem jeder fast jeden kennt.
In dieser Wissenschaftslandschaft gibt es viele Bräuche und Sitten. Eine davon ist, sich gegenseitig einzuladen, um Vorträge zu halten. Diese dienen dazu, sich über die neuesten Arbeiten in allen Bereichen der Astronomie zu informieren und den wissenschaftlichen Austausch zu fördern. Dementsprechend reise ich mehrmals im Jahr zu anderen Universitäten und Instituten sowohl innerhalb der USA als auch in andere Länder, um Vorträge zu halten.
Solche Einladungen ermöglichen, dass man ausführlich über seine wissenschaftlichen Ergebnisse berichten und diese mit Kollegen von Angesicht zu Angesicht diskutieren kann. Auf diesen Reisen lernt man gleichzeitig viele neue Astronomen kennen, was wiederum zu vielen Anregungen, interessanten Gesprächen und neuen Ideen und Projekten führt. Schon bald nach meiner Entdeckung von HE 1326–2326 wurde ich des Öfteren eingeladen, um Kolloquiums-vorträge zu halten und auf Konferenzen zu sprechen. Über die Jahre hinweg habe ich so mehr als 70 wissenschaftliche Vorträge gehalten – von populärwissenschaftlichen Präsentationen über Kolloquien bis zu Plenarvorträgen.
Auf Konferenzen sind die Astronomen sogar manchmal in Party-Laune. Der Boden bebt, die Musik ist laut – an einem ganz normalen Mittwochabend ist die gesamte Bar mit 200 bis 300 tanzenden Astronomen vollgepackt: von Studenten bis zu Professoren. Denn jedes Jahr am zweiten oder dritten Mittwoch im Januar wird abends astronomisch gefeiert. Grund dafür ist die Winter-Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (»American Astronomical Society«, kurz AAS), zu der bis zu 3000 amerikanische und internationale Astronomen anreisen, um aktuelle Ergebnisse zu präsentieren und sich über neue Resultate, Projekte und Initiativen auszutauschen. Auch die Deutsche Astronomische Gesellschaft hat jährliche Treffen im September.
Die AAS hat rund 7000 Mitglieder, und zweimal jährlich, im Januar und im Juni, finden die Mitglieder-Tagungen statt. Diese Tagungen dauern fünf Tage und sind die geschäftigsten Konferenzen, an denen ich teilnehme. Dann bin ich von früh morgens bis spät abends auf den Beinen, um Vorträge zu hören, mich mit Kollegen zu treffen und Projekte zu besprechen oder Workshops zu besuchen.
Da diese jährlichen Tagungen sich nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränken, repräsentieren die Teilnehmer alle erdenklichen astronomischen Arbeitsbereiche. Dies ermöglicht auch, die Kollegen und Bekannten wieder zu treffen, die nicht direkt im eigenen Fachbereich arbeiten. Denn über die Jahre hinweg lernt man viele andere Astronomen kennen, besonders wenn man an verschiedenen Orten studiert
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