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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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verhehlte sie ihre Freude nicht: »Also man kann nicht anders sagen, für einen Mann ist das doch riesig schick! Wie gut du damit aussiehst! Wie ein richtiger Gentleman. Jetzt müßtest du nur noch einen Adelstitel haben!« fügte sie mit einem leisen Anflug von Bedauern hinzu. Er mochte Odettes Art, so wie er auch, wäre er in eine Bretonin verliebt gewesen, sich daran begeistert hätte, sie mit Trachtenhaube zu sehen und sagen zu hören, sie glaube an Gespenster. Bis dahin hatte bei ihm wie bei vielen Männern, deren Kunstgeschmack sich unabhängig von ihrer Sinnlichkeit entwickelt, ein bizarrer Gegensatzzwischen dem bestanden, was den einen und die andere befriedigte; im Verkehr mit Frauen suchte er immer derbere, bei den Kunstwerken immer raffiniertere Genüsse; so führte er ein kleines Dienstmädchen in eine abgeschirmte Parterreloge zur Aufführung eines dekadenten Stücks, das er gern sehen wollte, oder in eine Impressionistenausstellung, im übrigen überzeugt, daß eine Dame der kultivierten Gesellschaft nicht mehr davon verstanden, aber nicht so reizend dazu geschwiegen hätte. Seitdem er Odette liebte, war es jedoch für ihn etwas so Beglückendes, mit ihr zu harmonieren, zu versuchen, seine Seele mit ihrer zu vereinen, daß er an den Dingen, die sie liebte, Gefallen zu finden suchte, und er fand ein um so tieferes Vergnügen darin, nicht nur ihre Gewohnheiten nachzuahmen, sondern auch ihre Ansichten zu übernehmen, als diese, da sie ja keine Wurzeln in seinem Geist hatten, ihn einzig an seine Liebe erinnerten, um derentwillen er sie sich zu eigen gemacht hatte. Wenn er ein weiteres Mal in Serge Panine 1 ging oder Gelegenheit suchte, Olivier Métra 2 dirigieren zu sehen, so geschah das alles um des erwärmenden Gefühls willen, mit allen Auffassungen Odettes aufs engste verbunden zu sein, ihre Neigungen zu teilen. Die von ihr geliebten Werke und Stätten besaßen einen Zauber, der ihn mit ihr vereinte und ihm geheimnisvoller schien als jener von eigentlich weit schöneren, die ihn aber nicht an Odette erinnerten. Da im übrigen die geistigen Überzeugungen seiner Jugend schwächer geworden waren und seine weltmännische Skepsis unbemerkt bis zu ihnen drang, meinte er (oder wenigstens hatte er es so oft gedacht, daß er es jetzt auch sagte), daß die Dinge, die uns gefallen, nicht in sich selbst einen absoluten Wert tragen, sondern daß alles Sache der Epoche, der Klasse und der wechselnden Moden sei, von denen die gewöhnlichste ebensoviel tauge wie die scheinbar distinguierteste. Undda er außerdem fand, daß die Wichtigkeit, die Odette der Frage beilegte, ob sie Eintrittskarten für eine Vorbesichtigung haben konnte, an sich nicht lächerlicher sei als das Vergnügen, das er früher daran gehabt hatte, beim Prinzen von Wales zu speisen, so meinte er auch nicht, daß ihre Bewunderung für Monte Carlo oder den Rigi unvernünftiger sei als seine Neigung für Holland, das sie sich häßlich vorstellte, oder für Versailles, das sie trübselig fand. 1 Er gab es daraufhin auch auf, jene Stätten zu besuchen, und sagte sich dabei, daß es ihretwegen geschehe, da er nun einmal nur mit ihr empfinden und lieben wolle.
    Wie alles, was Odette umgab und gewissermaßen die einzige Art und Weise darstellte, auf die er sie sehen und mit ihr plaudern konnte, liebte er auch die Gesellschaft der Verdurins. Dort fand er auf dem Grunde aller Unterhaltungen, Abendessen, musikalischen Darbietungen, Spiele, Kostümfeste, Landpartien, Theaterbesuche, selbst der sehr seltenen »großen Soireen«, die für die »Langweiler« gegeben wurden, Odettes Gegenwart, Odettes Anblick, die Unterhaltung mit Odette, ein unschätzbares Geschenk, das die Verdurins Swann machten, indem sie ihn einluden; deshalb gefiel er sich auch mehr als irgendwo sonst in dem »kleinen Kreis« und suchte ihm wirkliche Verdienste zuzuschreiben, denn so konnte er sich vorstellen, daß er ihn aus bloßer Neigung sein Leben lang besuchen werde. Da er sich nun aus Angst, daß er es doch nicht glauben würde, nicht einzureden wagte, er werde Odette immer und ewig lieben, sah er sich gleichwohl unter der so willkommenen Voraussetzung, daß er zeitlebens zu den Verdurins gehen würde (eine Vorstellung, die a priori auf geringere prinzipielle Einwendungen in seinem Geist stieß), auch in Zukunft Odette jeden Abend treffen; das kam vielleicht nicht ganz auf dasselbe heraus, als wenner sie immer liebte, doch für den Augenblick, solange er sie noch liebte, verlangte er

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