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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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gut wußte, daß seine Geschichte unrichtig sei, aus dem guten Grund, weil er sie soeben erst erfunden hatte. Der gute Mann litt darunter, daß die Verdurins ihn so langweilig fanden, und in dem Bewußtsein, daß er bei diesem Abendessen noch weniger glanzvoll als sonst gewesen sei, hatte er, bevor es zu Ende ging, auch einmal etwas Amüsantes vorbringen wollen. Er streckte so schnell die Waffen und sah so unglücklich aus, da der erhoffte Erfolg ihm nicht zuteil geworden war; auch wich er Swann so ängstlich aus,damit dieser nicht auf einem Widerruf bestände, der schon gar nicht mehr nötig war, indem er sagte: »Schon gut, schon gut; auf alle Fälle, wenn ich mich täusche, ist es ja kein Verbrechen, nicht wahr«, daß Swann am liebsten behauptet hätte, die Geschichte sei wahr und wirklich ganz köstlich. Der Doktor, der ihnen zuhörte, hatte das Gefühl, es sei hier ganz am Platze zu sagen: »Se non è vero«, aber er war sich des genauen Wortlauts nicht sicher und fürchtete, sich dabei zu verheddern.
    Nach dem Essen trat Forcheville von sich aus zu dem Doktor.
    »Muß mal gar nicht übel gewesen sein, diese Madame Verdurin; jedenfalls eine Person, mit der man sich unterhalten kann, was mir die Hauptsache ist. Jetzt fängt sie ja offengestanden an, etwas ältlich zu werden. Aber diese Madame de Crécy scheint eine kluge kleine Person zu sein, sapperlottchen! man merkt gleich, die hat einen scharfen Blick! Wir sprechen von Madame de Crécy«, sagte er zu Monsieur Verdurin, der in diesem Augenblick mit der Pfeife im Mund zu ihnen trat. »Ich stelle mir vor, so als Frau …«
    »Stiege ich lieber mit ihr ins Bett als zu Berg«, fiel Cottard lebhaft ein; seit Sekunden schon brannte er darauf, daß Forcheville Luft schöpfe und er dieses Wortspiel anbringen konnte, das er fürchtete nicht mehr loszuwerden, wenn inzwischen die Unterhaltung eine andere Richtung nahm; nun versuchte er, es mit der Munterkeit und dem Aplomb vorzubringen, hinter denen sich die Mischung aus Unbeteiligtheit und Lampenfieber verbirgt, die man hat, wenn man etwas rezitiert. Forcheville kannte es, verstand es und lachte darüber. Monsieur Verdurin sparte mit seiner Heiterkeit nicht, denn er hatte neuerdings eine symbolische Ausdrucksweise dafür gefunden, die zwar anders als die von seiner Frau verwendete, doch ebenso einfach und eindeutig war. Kaumhatte er die Kopf- und Schulterbewegungen eines Menschen ausgeführt, der sich vor Lachen schütteln will, als er auch schon zu husten begann, so als ob ihm bei allzu heftigem Lachen der Tabakrauch seiner Pfeife in die Kehle gekommen sei. Indem er diese im Mundwinkel festhielt, führte er beliebig lange seine Komödie der um Atem ringenden Heiterkeit auf. So wirkten er und Madame Verdurin, die auf der anderen Seite des Zimmers eine Geschichte des Malers anhörte und gerade die Augen schloß, um dann ihr Gesicht in den Händen zu verbergen, wie zwei Theatermasken, die auf verschiedene Weise das Lachen darstellten.
    Monsieur Verdurin hatte übrigens gut daran getan, die Pfeife nicht aus dem Mund zu nehmen, denn Cottard, der sich einen Augenblick entfernen mußte, tat dies mit halblauter Stimme und mit einer Umschreibung kund, die er erst jüngst in sein Repertoire aufgenommen hatte und nun jedesmal zum besten gab, bevor er einen gewissen Ort aufsuchte: »Ich muß Aumale schnell« 1 ; die Folge war, daß Monsieur Verdurins Husten gleich von neuem einsetzte.
    »Tu doch die Pfeife aus dem Mund, du siehst, du wirst noch ersticken, wenn du dein Lachen so verschluckst«, bemerkte Madame Verdurin, die Liqueurs anbot.
    »Was für ein reizender Mensch ist ihr Mann, er kann von seinem Geist noch andern etwas abgeben«, erklärte Forcheville, zu Madame Cottard gewandt. »Vielen Dank, gnädige Frau. Ja, ein alter Soldat wie ich ist immer für einen Tropfen zu haben.«
    »Monsieur de Forcheville ist von Odette entzückt«, sagte Verdurin zu seiner Frau.
    »Sie hat mir gerade gesagt, sie würde gern einmal mit Ihnen zum Dejeuner kommen. Wir werden das irgendwie einrichten, aber Monsieur Swann braucht es nicht zu merken. Sie müssen nämlich wissen, er ist leichtverschnupft. Aber deswegen können Sie natürlich auch abends kommen, wir hoffen Sie oft hier zu sehen. Wenn es jetzt warm wird, essen wir häufig irgendwo im Freien. Mögen Sie das auch, so ein kleines Diner im Bois? Gut, gut, das wird reizend werden. Wollen Sie wohl mal Ihren Beruf ausüben!« rief sie dem kleinen Pianisten zu, um einem neuen Gast vom

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