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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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Form man sie zum Ausdruck brachte. Da nun aber ihre gewohnte fehlerhafte Ausdrucksweise stärker als ihre republikanische Bürgergesinnung war, sagte sie auch immer einmal wieder die »de La Trémoïlle« odervielmehr – mit einer Abkürzung, wie sie in Texten von Chansons für das Konzertcafé und in Bildlegenden von Karikaturen üblich war, bei der das »de« beinahe verschwand – die »d’La Trémoïlle«, dann aber besann sie sich wieder und sagte: »Madame La Trémoïlle«. »Die ›Herzogin‹, wie Swann sagte«, setzte sie in ironischem Ton und mit einem Lächeln hinzu, das besagte, sie zitiere hier nur und nehme keinesfalls eine so naive und lächerliche Bezeichnung auf sich.
    »Ich kann dir nur sagen, ich habe ihn außergewöhnlich dumm gefunden.«
    Monsieur Verdurin gab ihr zur Antwort:
    »Er ist nicht offen, er ist ein Mensch, der immer Vorbehalte macht, er will das eine tun und das andere nicht lassen. ›Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß.‹ Wie anders dagegen Forcheville! Das ist doch noch ein Mann, der rundheraus seine Meinung äußert, ob sie einem zusagt oder nicht. Gar nicht so wie der andere, der weder Fisch noch Fleisch ist. Odette scheint mir übrigens Forcheville ganz hübsch vorzuziehen, und ich gebe ihr Recht. Und überhaupt, wenn Swann sich auch bei uns als Mann von Welt aufspielen will und so tut, als ob er bei Herzoginnen ein und aus geht, so hat der andere doch wenigstens ein Adelsprädikat; er ist immerhin Comte de Forcheville«, fügte er mit der Miene eines Eingeweihten hinzu, der über die Geschichte dieses Grafentitels bestens informiert ist und seinen Wert genau einzuschätzen weiß.
    »Ich kann dir nur sagen«, bemerkte Madame Verdurin noch, »er hat sogar versucht, gegen Brichot allerlei giftige und lächerliche Unterstellungen vorzubringen. Da er gesehen hat, daß Brichot bei uns im Hause gern gesehen ist, war das natürlich eine Art, uns selber zu treffen und unser Diner herunterzumachen. Das ist so einer, der einem ins Gesicht freundlich tut undschlecht über einen redet, sobald man den Rücken kehrt.«
    »Ich habe es dir doch gesagt«, antwortete Monsieur Verdurin, »das ist so ein kleiner Versager, ein elender Kerl, der auf alles, was auch nur ein bißchen groß ist, neidische Blicke wirft.«
    In Wirklichkeit gab es keinen Getreuen, der weniger übelwollend gewesen wäre als gerade Swann; doch übten die anderen alle die Vorsicht, ihre kleinen Gehässigkeiten mit bekannten Witzeleien und einem kleinen Schuß von Rührung und Herzlichkeit zu versehen, während der mindeste Vorbehalt, den Swann machte und der keine solche konventionellen Floskeln enthielt wie: »Ich will gewiß nichts Böses sagen«, da er diese für unter seiner Würde hielt, als Perfidie erschien. Es gibt Schriftsteller von einer gewissen Eigenart, bei denen die geringste Freiheit im Umgang mit der Sprache das Publikum empört, weil sie nicht zuvor seinem Geschmack geschmeichelt und ihm die Gemeinplätze serviert haben, an die es nun einmal gewöhnt ist; auf die gleiche Weise hatte Swann Monsieur Verdurin gegen sich eingenommen. Wie bei jenen Autoren war es auch bei Swann das Ungewohnte seiner Redeweise, das an schwarze Absichten bei ihm glauben ließ.
    Swann wußte noch nichts von der Ungnade, die ihm von den Verdurins drohte; noch immer sah er ihre lächerlichen Seiten durch seine Liebe in rosigem Licht.
    Odette traf er meist nur am Abend; tagsüber aber, wo er fürchtete, ihr lästig zu fallen, wenn er sie besuchte, hätte er doch gern ihre Gedanken unablässig mit seiner Person beschäftigt gewußt und suchte nach Gelegenheiten, sich in einer ihr angenehmen Weise darin einen Platz zu verschaffen. Wenn ihm in der Auslage eines Blumengeschäfts oder eines Juweliers eine Pflanze oder ein Schmuckstück gefiel, kam ihm auf der Stelle in denSinn, sie Odette zu schicken, und er stellte sich dabei vor, wie sie das Vergnügen empfinden würde, das sie ihm verschafft hatten, und wie sie doch mit vermehrter Zärtlichkeit seiner gedenken müßte; dann ließ er sie rasch zu ihr in die Rue la Pérouse bringen, um den Augenblick nicht länger hinauszuschieben, wo sie etwas von ihm erhalten und er sich dadurch näher bei ihr fühlen würde. Vor allem wollte er, daß sie sein Geschenk bekam, bevor sie das Haus verließ, damit ihre Dankbarkeit ihm eine um so freundlichere Begrüßung sichern würde, wenn er sie bei den Verdurins traf; oder, wer weiß, wenn der Lieferant sich entsprechend beeilte, könnte er

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