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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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einführen und Ihnen dann auch gleich über mein Gespräch vom Vormittag berichten.«
    Das war für den Fürsten von Faffenheim der Anlaß gewesen, bei Madame de Villeparisis zu erscheinen. Tief enttäuscht wurde ich, als er den Mund auftat. Wenn eine Epoche charakteristische und allgemeine Züge schafft, die stärker sind als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation, so daß in einem illustrierten Lexikon, das bis zu einem authentischen Porträt der Minerva alles führt, Leibniz mit seiner Perücke und seiner Halskrause sich wenig von Marivaux oder Samuel Bernard 1 unterscheidet, hatte ich doch nicht daran gedacht, daß anderseits eine Nationalität auch besondere Züge besitzt, die stärker als alle Kasten sind. Diese taten sich mir nicht durch Reden kund, von denen ich von vornherein annahm, ich würde das Raunen der Elfen und den Tanz der Kobolde in ihnen vernehmen, sondern in einer Transposition, die nicht minder diesen poetischen Ursprung bestätigte: die Tatsache nämlich, daß, als er sich – klein, mit rotem Gesicht und schmerbäuchig – vor Madame de Villeparisis verneigte, dieser Rheingraf sein »Ponchour, Matame la Marquise« mit dem gleichen Akzent vorbrachte wie ein elsässischer Concierge.
    »Darf ich Ihnen nicht eine Tasse Tee oder ein Stück Torte reichen, sie ist wirklich sehr gut«, sagte die Herzogin zu mir in dem Bestreben, so liebenswürdig wie möglich gewesen zu sein. »Ich mache in diesem Haus die Honneurs, als wenn es das meine wäre«, setzte sie in ironischem Ton hinzu, der ihrer Stimme etwas Gutturales gab, als ob sie ein heiseres Lachen unterdrückt hätte.
    »Monsieur«, sagte Madame de Villeparisis zu Norpois, »Sie denken doch auch daran, daß Sie dem Fürsten etwas wegen der Akademie sagen wollten?«
    Madame de Guermantes senkte den Blick und drehte ihr Handgelenk um neunzig Grad, um auf ihre Uhr zu schauen.
    »Oh! Mein Gott, es ist Zeit, daß ich mich von meinerTante verabschiede, wenn ich noch meinen Besuch bei Madame de Saint-Ferréol machen will, und zum Abendessen muß ich zu Madame Leroi.«
    Sie erhob sich, ohne mir adieu zu sagen. Sie hatte eben Madame Swann bemerkt, die sich offenbar durch meine Anwesenheit ziemlich geniert fühlte. Bestimmt dachte sie daran, daß sie als erste mir gesagt hatte, sie sei von Dreyfus’ Unschuld überzeugt.
    »Ich möchte nicht, daß meine Mutter mich Madame Swann vorstellt«, sagte Saint-Loup. »Sie ist eine ehemalige Dirne. Ihr Mann ist Jude, und jetzt macht sie es uns national. Ach schau, da kommt mein Onkel Palamède.«
    Die Anwesenheit von Madame Swann besaß für mich ein besonderes Interesse dank einem Ereignis, das sich ein paar Tage zuvor zugetragen hatte und das berichtet werden muß wegen der Folgen, die es sehr viel später haben sollte und die man zu gegebener Zeit im einzelnen kennenlernen wird. 1 Ein paar Tage also vor diesem Besuch hatte ich selbst nämlich einen ganz unerwarteten bekommen, und zwar den von Charles Morel, dem mir persönlich nicht bekannten Sohn des ehemaligen Kammerdieners meines Großonkels. Dieser Großonkel (derselbe, bei dem ich die Dame in Rosa getroffen hatte) war im vorhergehenden Jahr gestorben. Sein alter Kammerdiener hatte mehrmals die Absicht geäußert, mir einen Besuch zu machen; ich wußte nicht, was er damit bezweckte, aber ich hätte ihn gern gesehen, denn ich hatte durch Françoise erfahren, daß er einen wahren Kult mit dem Andenken meines Onkels trieb und bei jeder Gelegenheit zum Friedhof pilgerte. Da er aber genötigt war, in seiner Heimat seine Gesundheit zu pflegen und lange dort bleiben würde, schickte er mir seinen Sohn gleichsam als Abgesandten. Ich war überrascht, einen hübschen Burschen von achtzehn Jahren eintreten zu sehen, der eher teuer als geschmackvoll angezogen war, aber gleichwohl wie allesandere, nur nicht wie ein Kammerdiener wirkte. Er legte übrigens von vornherein Wert darauf, sich von dem dienstbaren Stand, aus dem er hervorgegangen war, abzunabeln, indem er mir mit einem Lächeln der Genugtuung mitteilte, er habe einen ersten Preis des Conservatoire erhalten. Der Zweck seines Besuches war der folgende: sein Vater hatte aus den Erinnerungsstücken an meinen Onkel Adolphe einige zur Seite gelegt, die er aus Gründen der Schicklichkeit meinen Eltern nicht hatte zukommen lassen wollen, von denen er aber annahm, sie würden für einen jungen Mann meines Alters von Interesse sein. Es waren Photographien von berühmten Schauspielerinnen und großen Kokotten, die

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