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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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ihr ganzes Vermögen vermachte.
    Ich aber mochte Bloch sehr; meine Eltern wollten, was mir Vergnügen machte; die ungelösten Probleme der Schönheit, hinter der sich wie in dem Vers von Minos und Pasiphaë kein Sinn verbarg, plagten mich mehr und setzten meiner Gesundheit weit stärker zu als etwaige Gespräche mit ihm, die meine Mutter freilich für verderblich hielt. Er wäre also noch immer in Combray bei uns empfangen worden, hätte er nicht nach jenem Nachtessen, nachdem er mich eben davon unterrichtet hatte – eine Neuigkeit, die später großen Einfluß auf mein Leben gewann, mich zunächst glücklicher, dann sehr viel unglücklicher machte –, daß alle Frauen nur auf Liebe ausseien und es keine gebe, deren Widerstand nicht gebrochen werden könne, außerdem noch bemerkt, er habe mit Sicherheit sagen hören, daß meine Großtante eine stürmische Jugend verbracht habe und »ausgehalten« worden sei. Ich konnte es nicht lassen, diese Äußerungen vor meinen Eltern zu wiederholen, man wies ihm die Tür, als er wiederkam, und als ich ihn danach einmal auf der Straße anredete, behandelte er mich ausgesprochen kühl.
    Doch mit Bergotte hatte er recht gehabt.
    Wie es uns mit einer Melodie geht, die wir später über alles lieben werden, die wir aber noch nicht deutlichheraushören, enthüllte sich mir in den ersten Tagen noch nicht, was mir später an seinem Stil besonders gefallen sollte. 1 Wenn ich einen Roman von ihm las, konnte ich mich nicht davon lösen, glaubte aber, einzig durch den Gegenstand gefesselt zu sein, so wie es einem in den ersten Phasen der Liebe geht, wenn man alle Tage eine Frau bei irgendeiner Veranstaltung, einer Darbietung zu treffen versucht und meint, man fühle sich nur durch den Reiz dieser Zerstreuungen angezogen. Dann wurde ich auf die seltenen, fast archaischen Wendungen aufmerksam, die er in gewissen Augenblicken gern gebrauchte, wenn ein verborgener Strom von Harmonie, ein Präludieren im Innern seinen Stil höher trug; in diesen Augenblicken sprach er dann auch von dem »eitlen Traum des Lebens«, dem »unerschöpflichen Strom der schönen Erscheinungen«, der »fruchtlosen und so köstlichen Qual des Verstehens und Liebens«, den »tiefbewegenden Bildnissen, die für alle Zeiten die verehrungswürdige, die bezaubernde Stirn der Kathedralen adeln« 2 , und er drückte eine für mich neue Philosophie in wunderbaren Bildern aus, von denen man hätte meinen können, sie seien es, die jenen Harfenton aufklingen ließen, der sich von da an erhob und dessen begleitender Stimme sie etwas Erhabenes gaben. Eine jener Stellen bei Bergotte, die dritte oder vierte, die sich für mich von dem übrigen abgehoben hatte, schenkte mir eine Freude, die jener nicht mehr zu vergleichen war, die ich bei der ersten empfunden hatte, eine Freude, die ich in einer tieferen, einheitlicher angelegten, weiträumigeren Sphäre meines Innern zu verspüren glaubte, aus der alle Hindernisse und Trennungswände fortgeräumt schienen. Das kam daher, daß ich beim Wiedererkennen der gleichen Neigung zu seltenen Ausdrücken, jenes gleichen musikalischen Überströmens, jener gleichen idealistischen Philosophie, die schon die anderen Male,ohne daß ich es wußte, den Grund meines Vergnügens bildeten, nicht mehr den Eindruck hatte, mich einem besonderen Passus aus einem bestimmten Buch von Bergotte gegenüberzufinden, das auf der Oberfläche meines Denkens eine rein lineare Figur eingezeichnet hätte, vielmehr dem »Idealpassus« aus Bergotte, der allen seinen Büchern gemeinsam war und dem alle ähnlichen, mit ihm verschmelzenden Stellen eine Art Dichte, Volumen verliehen, an denen mein Geist zu wachsen schien.
    Mit meiner Bewunderung für Bergotte stand ich nicht völlig allein da; er war auch der Lieblingsschriftsteller einer Freundin meiner Mutter, die in der Literatur sehr bewandert war; und um das letzterschienene Buch von ihm zu lesen, ließ Doktor du Boulbon seine Patienten warten; so wurden einige der ersten Samenkörner jener Vorliebe für Bergotte – damals noch eine so seltene, heute eine allgemein verbreitete Spezies, deren ideale und gleichzeitig gewöhnliche Blume man überall in Europa oder in Amerika auch im kleinsten Dorf antrifft – aus dem Sprechzimmer du Boulbons und aus einem Park in der Nähe von Combray davongetragen. Was die Freundin meiner Mutter und, wie es scheint, auch der Doktor du Boulbon an den Büchern von Bergotte besonders liebten, war, wie auch für mich, jener gleiche

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