Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
Vom Netzwerk:
eingeschränktem Rahmen fortbestanden, veränderte sich das soziale und kulturelle Gefüge im gesamten Westen des Reiches, und die Menschen verarmten. Archäologische Funde zeigen, dass in Britannien nach dem Abzug der römischen Legionen das Wirtschaftsleben nicht auf das Niveau der Eisenzeit herabsank, sondern auf das der noch älteren Bronzezeit. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts geriet das Töpferhandwerk in Vergessenheit, und die Töpferscheibe wurde erst 300 Jahre später wiedereingeführt. *43
    Als Herrscher fingen die Barbaren – wenn sie denn welche waren – gut an. Wenig ist bekannt über die Herkunft Odoakers, der im Jahr 476 den letzten Kaiser Westroms (Romulus Augustulus, damals noch ein Kind) absetzte. Wir wissen nur, dass sein Vater ein Würdenträger am Hof des Hunnenkönigs Attila war. Odoaker ließ sich zum König ausrufen, herrschte weitgehend im Einklang mit römischen Sitten und Gebräuchen und residierte im Kaiserpalast von Ravenna, das seit Beginn des Jahrhunderts Hauptstadt des Reiches war. Unglücklicherweise zog er den Zorn des oströmischen Kaisers Zenon auf sich, der Theoderich, Herrscher der Ostgoten, überredete, seine Raubzüge auf dem Balkan einzustellen und stattdessen in Italien einzufallen, wo er als Vasall Konstantinopels König werden dürfe. Theoderich tat ihm mit der Invasion von 489 den Gefallen und ermordete nach einer langen Belagerung Ravennas Odoaker, dessen Frau und Sohn sowie zahlreiche Gefolgsleute.
    Die Herrschaft des neuen Königs begann mit einem Blutbad und endete kurz nach der Hinrichtung des Philosophen Boethius, der im Gefängnis auf den Tod wartend sein berühmtes Werk De consolatione philosophiae (Der Trost der Philosophie) verfasste. Aber in den 30 Jahren, die ihm als König beschieden waren, herrschteTheoderich weise und wahrte den Frieden. Er praktizierte religiöse Toleranz, hielt sich aus dem Arianismusstreit um die volle Göttlichkeit Christi heraus und konnte seine siegreichen Goten davon abhalten, die römische Bevölkerung zu schikanieren. Sein Reich war für die kommenden 1300 Jahre das letzte, das die gesamte Apenninhalbinsel umfasste, dennoch war es noch kurzlebiger als andere Regime aus dieser Zeit. Es ging kurz nach seinem Tod unter und hinterließ kaum sichtbare Spuren, abgesehen von dem schlichten Mausoleum des Herrschers in Ravenna.
    Nominell herrschte Theoderich als Stellvertreter des byzantinischen Kaisers über Italien. Justinian, einer von Zenons Nachfolgern, intervenierte erneut in Italien, als Theoderichs Tochter abgesetzt und von einem ihrer Vettern ermordet wurde. Der Vorwand war Usurpation und Mord, aber das Motiv war der Ehrgeiz des Kaisers im Osten, das Reich im Westen zurückzuerobern. Justinian befahl seinem Feldherrn Belisar, der in Persien die Sassaniden und in Nordafrika die Vandalen besiegt hatte, nun in Sizilien und auf der Halbinsel seine Erfolge fortzusetzen. Die kaiserliche Armee erreichte im Jahr 540 Ravenna, wo in der oktogonalen Kirche San Vitale wenig später das große Mosaik entstand, das Momigliano so beschäftigte. Es zeigt Justinians strenge, tüchtige Gemahlin, die Kaiserin Theodora, in kaiserlichen Purpur gewandet – sie hatte es seit ihren Anfängen als Tänzerin, Schauspielerin und alleinerziehende Mutter weit gebracht.
    Justinian, immer wieder von Misstrauen gegen seinen General gequält, rief Belisar ein paar Jahre später zurück und überließ es Narses und seinen übrigen Befehlshabern, die »Rückeroberung« zu Ende zu bringen. Nach fast 20 Jahren Krieg herrschte nun wieder ein Kaiser in Italien, diesmal durch das Exarchat (der Exarch war eine Art Statthalter) von Ravenna. Obwohl die Byzantiner Griechen waren und das Lateinische dort zunehmend an Bedeutung verlor, nannten sie sich romaioi (griechisch für Römer) und hielten in den kommenden Jahrhunderten daran fest. Damals war die Bezeichnung Byzanz (benannt nach Buzas, dem ersten Siedlungsgründer) oder byzantinisch nicht geläufig. Sie kam erst im 16. Jahrhundert nach dem Zusammenbruch des Reichs auf. *44 Die Byzantiner hielten sich für die Erben des antiken und christlichen Rom und glaubten, sie hätten dessen Niedergang rückgängig gemacht. Doch der Krieg hatte einen hohen Preis gefordert, er war für Italien verheerend gewesen und hatte den durch Odoaker und Theoderich bewahrten Wohlstand zerstört. Der geniale Feldherr Belisar mag die Illusion eines Wiederauflebens des Imperiums genährt haben, aber die Byzantiner waren weder reich noch stark oder

Weitere Kostenlose Bücher