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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Ehebrecher stammen aus ganz Italien, während die einzigen rundum guten Menschen in Florenz leben, wo sämtliche Frauen schön und sämtliche Männer edel, ritterlich, liebenswürdig und weise sind.
    Das Leben war kommunal geprägt, zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum gab es kaum eine Barriere. Die Menschen identifizierten sich mit der Kommune und deren Symbolen, vor allem mit den Stadtpatronen: in Bari mit dem heiligen Nikolaus, in Mailand mit dem heiligen Ambrosius und in Neapel mit dem heiligen Januarius (San Gennaro, dessen als Reliquie getrocknetes Blut sich angeblich regelmäßig verflüssigt). Die Schutzheiligen von Venedig (Markus) und Siena (Katharina) genossen dieselbe Verehrung wie die Jungfrau Maria. Weitere mächtige Symbole waren der Glockenturm (campanile) und der von Ochsen gezogene Wagen (carroccio) , mit dem Fahnen undein Kreuz in die Schlacht geführt wurden. Es war peinlich und demütigend, wenn es dem Feind gelang, den carroccio zu erobern. Die Mailänder verloren den ihren im Jahr 1150 an die Cremonesen und ein weiteres Mal 1237 an den Kaiser, als der Wagen bei der Schlacht von Cortenuova im Schlamm stecken blieb.
    Die Italiener des Mittelalters sprachen von ihrer Stadt wie von einem Paradies, wo das Leben von vortrefflichen Gesetzen aus der Feder von Juristen an der neu gegründeten Universität Bologna geregelt wurde. Auch auf das Erscheinungsbild ihrer Stadt und ihre bürgerlich und kommunal geprägte Kultur waren sie stolz. Die große Epoche der Mäzene aus Adel und Kirche kam später. Oft zog die ganze Bevölkerung mit Flöten und Trompeten aus, um ein künstlerisches Ereignis zu feiern. So geleiteten die Bürger von Siena 1311 Duccios Maestà aus dem Atelier des Malers außerhalb der Stadt durch das Tor und hinauf zum Dom. Weil alles in ihrem Namen errichtet wurde – und nicht wie später im Namen der Medici in Florenz oder der Gonzaga in Mantua –, hatten sie ein ureigenes Interesse am Pflastern der Straßen, an der Gestaltung der Plätze, am Bau von Steinbrücken.
    Noch 900 Jahre nach ihrem Aufstieg sind die Stadtstaaten im kollektiven Bewusstsein der Italiener immer noch fest verankert – eine entscheidende Komponente der Identität und des sozialen und kulturellen Erbes. Die modernen Bewohner dieser Städte sind stolz auf dieses Erbe und fühlen sich verpflichtet, diese Traditionen zu bewahren. Aus diesem Grund sind die Innenstädte, aber leider nicht immer die Umgebung heute so gut erhalten.
    Doch ungeachtet ihrer Kultur, ihres Wohlstands und der Teilhabe ihrer Bürger war der Niedergang der Stadtstaaten unabwendbar. Ihr Scheitern war ihnen gleichsam in die Wiege gelegt: eine Vielzahl kleiner Städte auf engstem Raum, immer auf der Hut vor Spionen und Intriganten innerhalb ihrer Mauern, in steter Furcht vor großen raubgierigen Nachbarn außerhalb. Angst und Misstrauen führten zu Bündnissen und Präventivmaßnahmen und einer endlosen Folge von Kleinkriegen. Die Städte hätten einen gütigen Beschützer gebraucht, wie Rom es einst gewesen war und die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs es nie wurden. Im 18. Jahrhundert war es dann zu spät. Die internen Querelen und die endemische Zersplitterung und Gewalt in Italien veranlassten Dante, nicht etwa einen Staat oder eine Nation zu fordern, sondern ein starkes universales Reich.
    Nationalistische Historiker feierten später den Florentiner Dichter als »Vater der Nation«, aber Dante kann objektiv nicht als Vorläufer des Nationalismus bezeichnet werden. Den Süden besuchte er nie, auch den Norden kannte er kaum,und selbst in den ihm vertrauten Gebieten Mittelitaliens entdeckte er wenig, was alle Italiener gemeinsam hatten. So räumt er (auf Lateinisch) nur ein, dass sie »einige ganz einfache Eigenschaften der Sitten, der Kleidung und der Sprache« teilten. Der ins Exil getriebene Florentiner kam zu dem Schluss, es gebe nur zwei mögliche Regierungsformen: die kommunale und die imperiale. Und obwohl sein Werk vom städtischen Geist durchdrungen war, empfahl er die imperiale, weil sie eher Frieden und Ordnung schaffen könne. Die italienische Einigung sah er keineswegs als einen gangbaren dritten Weg. Hoheitsgewalt und weltliche Autorität sollten nach seiner Meinung allein vom Kaiser des Heiligen Römischen Reichs ausgehen, der seine Befugnisse nicht vom Papst, sondern von Gott erhalte. Dante wünschte sich Herrscher, die »glänzende Helden« wären wie Friedrich II. und dessen Sohn Manfred. Und gegen Ende seines

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