Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
trennten sich zwar in den 1850er Jahren, aber viele Jahre später konnten sie in Stichen mit Bildtiteln wie Pensiero e Azione (»Gedanke und Tat«, wie eine Parole Mazzinis lautete) wiedervereint werden. Ihr Doppelporträt wird von einem Kranz aus Eichenlaub und Olivenzweigen umrahmt, dazu ein Schwert und eine Schreibfeder. Ein Straßenplakat zeigt siezusammen mit Verdi unter dem Titel Die drei Giuseppes – die drei leuchtenden Sterne Italiens . Jedem der drei bärtigen Charakterköpfe ist ein Lobpreis beigefügt. Über Verdi heißt es, er habe » la patria mit seinen Melodien erleuchtet«.
Derartige Paraphernalien in den Risorgimento-Museen werden freilich von den wuchtigen Ölgemälden mit heroischen Szenen aus den »Befreiungskriegen« in den Schatten gestellt. Zu den beliebtesten Motiven zählt Garibaldi, wie er die sterbende Anita auf seinen Armen durch die Sümpfe von Comacchio trägt; Garibaldi auf Caprera mit kummervoller Miene, während die Abendsonne sein rotes Hemd bescheint; das italienische Lager auf dem Schlachtfeld von Magenta (die verwundeten Soldaten bezeugen ihren Kampfesmut) und die Bresche an der Porta Pia in Rom 1870, die einen überwältigenden Sieg suggerieren soll, obwohl die Verliererseite nicht mehr als 19 Todesopfer zu beklagen hatte.
Am häufigsten jedoch wird auf diesen Gemälden Vittorio Emanuele porträtiert, fast immer auf einem Schimmel, wie er die Truppen in die Schlacht führt. Der Schauplatz der Szene ist für gewöhnlich San Martino, wobei piemontesische Soldaten in blauen Uniformen wie bei einer Parade vorrücken und die Österreicher in weißen Uniformen tot oder sterbend im Vordergrund auf dem Schlachtfeld liegen oder gerade gefangengenommen werden. Im Palazzo Pubblico, dem Rathaus von Siena, den Lorenzetti und Simone Martini mit Fresken ausschmückten, gibt es einen großen Saal, die Sala del Risorgimento, der König Vittorio Emanuele als den »Befreier Italiens« feiert, als »tapfersten Führer«, »besten Fürsten«, »Vater des Vaterlandes« und »Wiederhersteller [sic] der nationalen Einheit«. Die riesigen Fresken, von denen drei den König auf einem weißen oder grauen Pferd zeigen, sind reine Hagiographie, in grellen Farben gemalte Verzerrungen der tatsächlichen Ereignisse. Am Ende des Rundgangs wendet man sich geradezu erleichtert den macchiaioli (»Klecksern«) zu, den toskanischen Impressionisten, oder den Divisionisten eine Generation später, die handwerklich besser, humaner und gesellschaftsbewusster waren. Zu ihnen zählten Angelo Morbelli, der einfühlsame Chronist der Alten und Einsamen, und Giuseppe Pellizza da Volpedo, der Maler der streikenden Arbeiter.
Die reiche Mittelschicht im Italien des 19. Jahrhunderts baute keine Kunstsammlungen auf wie in Großbritannien und in Deutschland. Ihr bedeutendster Beitrag zur bildenden Kunst waren Grabskulpturen, riesige, ornamentale, oft wunderschöne Monumente für die verstorbenen Angehörigen. Die Errichtung solcher Monumente war seit jeher Privatsache, auch wenn die Toten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren. Die Republik Venedig errichtete nicht einmal ihren Dogen Grabmonumente. Nur historisch so ferne Heldenwie Dante, dem zu Ehren 1829 in der Kirche Santa Croce in Florenz ein Kenotaph in Gestalt eines monumentalen Grabmals errichtet wurde, bildeten eine Ausnahme. Für heroische und vorbildliche Männer ließ der Staat Denkmäler nicht in Kirchen und auf Friedhöfen, sondern auf öffentlichen Plätzen aufstellen.
Viele Städte gaben freiwillig Statuen Vittorio Emanueles und anderer Giganten in Auftrag; wenn nicht, wurden sie von der Regierung dazu aufgefordert oder sogar gezwungen. Einige Städte sind jedoch davon verschont geblieben, darunter Cremona, die Heimat großer Geigenbauer – eine entzückende Stadt, die sich ihre freigeistige Tradition bewahrt hat. Sie erinnert nicht nur an Generäle und Garibaldiner, sondern auch an Musiker und Dirigenten. Erst vor Kurzem wurde die Piazza Cavour in Piazza Stradivari umbenannt. Es ist geradezu eine Erleichterung, auf der Piazza Roma der Stadt nicht einer Statue des Königs, sondern des zweitbesten Komponisten des Städtchens zu begegnen, Amilcare Ponchielli. Auf der Piazza Lodi steht eine Skulptur des besten, des herausragenden unter den großen Komponisten musikalischer Bühnenwerke, Claudio Monteverdi.
Auch Venedig blieb seiner Tradition treu und verweigerte die Errichtung von Statuen auf öffentlichen Plätzen. Zu den wenigen Ausnahmen zählen ein
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