Auf der Suche nach Tony McKay
Handgreiflichkeiten zwischen zweien kommt, weil der eine behauptet die andere hätte ihm über die Schulter geguckt.
‘You must forgive them,’ sagt der Händler entschuldigend zu mir, ‘these are normally very civilised people, but once they get their pens out, all hell breaks loose.’
Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass die im Alltag alle ganz normal und zivilisiert sind. Komisch, dass Füller so ein Verhalten herbeiführen können.
Die Zettel werden herübergereicht und wir inspizieren sie der Reihe nach. Das höchste Angebot kommt von einem Menschen namens Eugene Bubka und beläuft sich auf $5000. Ich traue meinen Augen nicht.
‘That’s a good price, if you want to sell,’ rät mir der Händler. Ich nicke, ‘Ok.’
‘Allright Eugene, it’s yours,’ ruft er in die Menge.
Eugene Bubka tritt an den Tisch heran. Er ist der gewaltige Mann, der den kleinen Herrman unlauterer Praktiken beschuldigt hat. Er grinst stolz in die Runde, zählt mir $5000 in die Hand und trägt Opas alten Mont Blanc triumphierend wie ein Stück Kriegsbeute davon.
Heiko, Britta und ich bleiben sprachlos $5000 reicher zurück.
Es ist Sonntag am späten Nachmittag und Britta und ich sitzen in der Lobby des “Paradise Inn” auf unseren gepackten Koffern. Heiko und Bill sind die Straße runtergelaufen, um den Winnebago abzuholen.
‘Hast du deiner Mutter eigentlich gesagt, dass wir morgen kommen?’ fragt Britta.
‘Nee,’ sage ich etwas verlegen, ‘ich denke, ich werde sie einfach überraschen.’
‘Das wird dir bestimmt gelingen, wenn wir auf einmal zu viert vor der Tür stehen,’ antwortet Britta.
Heiko kommt zur Tür herein und sagt ‘Alles bereit?’
‘Klar,’ sage ich.
‘Muss ja,’ sagt Britta.
Der Chinese an der Rezeption winkt freundlich zum Abschied, wir tragen unsere Koffer in den Winnebago und die Fahrt geht weiter.
Wichita, Kansas
‘So, warum ihr wollt nach Kansas? Ist nicht wo die Touristen immer hingehen,’ sagt Bill zu mir, während er den Winnebago aus St.Louis heraus manövriert.
‘Hm, nee, eigentlich nicht,’ sage ich und gucke auf die Straße. ‘Meine Mutter wohnt da.’
‘Deine Mutter? Kommt die auch von Deutschland?’
‘Ja, ursprünglich schon, aber jetzt wohnt sie schon zwanzig Jahre in Amerika. Und so lange hab’ ich sie auch nicht gesehen.’
Er guckt mich von der Seite an.
‘Sie ist also wie ein fremde Person für dich?’
Ich denke darüber nach.
‘Ja, eigentlich schon.’
Ich gucke auf die weiten Felder an der Autobahn. Ich weiß auch nicht, was ich mir von dem Besuch verspreche. Die Amerikaner lieben ja das Wort ‘closure’ - ist es das, worauf ich hoffe, irgendeine Art von Antwort, warum sie damals lieber mit irgendeinem GI weggegangen ist, als bei mir zu sein?
Als wir nach Wichita hineinfahren, ist es früher Morgen. Der Ort wirkt eher unbedeutend und ich frage mich, warum meine Mutter gerade hier wohnt. Aber vielleicht gab es irgendwann einmal einen triftigen Grund und dann ist sie hier hängengeblieben. Die Frage ist wahrscheinlich auch gar nicht legitim. Warum wohnen Leute in H.? Gewohnheit. Hat sich so ergeben. Eigentlich sollte ich, sollten wir alle, auch noch dort sein, aber es hat sich eben anders ergeben. So ist das Leben.
Ich sitze auf dem Beifahrersitz neben Britta, als Heiko nach vorne kommt.
‘Hast du die Adresse?’
‘Ja,’ sage ich und krame in meiner Tasche herum. Ich gebe sie ihm. ‘Aber es ist noch ziemlich früh, vielleicht sollten wir erstmal frühstücken gehen.’
Meine Mutter, die ja auch aus H. kommt, fühlt sich in diesem Kaff wahrscheinlich recht zu Hause. Es gibt jede Menge CoffeeAllstars, ja für so eine vergleichsweise kleine Stadt ist die Dichte ganz erstaunlich. Bill flucht leise vor sich hin, jedesmal, wenn wir an einem vorbeikommen. Wir finden nach einer Weile das Java Village Cafe, parken den Winnebago und steigen aus. Das wirkt alles wie Sonntagnachmittag hier, ob aufgrund der Dichte an CoffeeAllstars und der daraus resultierenden Sedierung derer, die dort Kaffee konsumieren, oder aber weil das hier einfach ein ganz verschlafenes Nest ist. Andererseits, wenn das hier sowieso alles so verschlafen ist, wozu dann all die CoffeeAllstars?
Wir setzen uns in das Cafe und bestellen Frühstück.
‘Was macht deine Mutter hier eigentlich, ich meine, arbeitet sie hier?’ fragt Britta.
‘Hmm, nicht ganz sicher. Als sie weggegangen ist, da hatte sie diesen Soldaten, und den hat sie dann in den USA geheiratet.
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