Auf der Suche nach Tony McKay
Aber irgendwann ging das auseinander und dann ist sie nach Wichita gezogen.’
‘Und warum hierher?’ fragt Heiko.
‘Ehrlich gesagt, das weiß ich auch nicht,’ muss ich eingestehen.
Ich bin etwas nervös angesichts der bevorstehenden Begegnung. Ich meine, was sagt man denn zu seiner Mutter nach zwanzig Jahren? Wir sind uns doch vollkommen fremd. Ich bestelle noch einen Kaffee, nur um das irgendwie heraus zu zögern. Bill guckt mich an. Ich schätze, dass er ungefähr das Alter meiner Mutter hat.
‘Ich denke, deine Mutter freut sich bestimmt sehr, dich zu sehen,’ sagt er und lächelt mir zu. Ein wenig Ermutigung tut mir gut.
Wie würde ich an ihrer Stelle fühlen? Schwer zu sagen, da ich keine Kinder habe und ohne konkrete Aussicht auf einen Staszek oder einen Herrn Pohlmann, wird sich das wohl auch eher nicht ergeben.
‘Ich hoffe mal,’ antworte ich ihm, ‘denn sonst bin ich ganz schön weit für gar nichts gekommen.’
Bill hat den Winnebago direkt vor einem kleinen Einfamilienhäuschen in einem der Vororte geparkt. Ich checke noch einmal, dass wir die richtige Hausnummer haben. Das Haus selber sieht recht gepflegt aus, gut bürgerlich würde man in Deutschland sagen. Das hier ist wohl das Äquivalent zu dem, wo Heiko mit seiner Mutter wohnt. Wir steigen alle aus, ich gehe zur Tür und drücke auf den Klingelknopf und warte. Ich drehe mich zu den anderen um, die auf dem Bürgersteig stehen. Ich klingele noch einmal. Da höre ich drinnen Schritte und die Stimme einer Frau, die ‘Coming!’ ruft. Die Tür geht auf und ich stehe meiner Mutter gegenüber. Wir gucken uns an, keine sagt etwas.
‘Maggie?’ fragt sie. Ich nicke. Sie nimmt mich in den Arm. Darauf habe ich zwanzig Jahre gewartet.
‘Sind das deine Freunde?’ fragt sie.
‘Ja, das sind Britta und Heiko aus H. und Bill, den haben wir in New York kennengelernt.’
Sie geht auf die drei zu und reicht ihnen nacheinander die Hand, ‘Hallo, ich bin Ulla, kommt rein.’
Sie lächelt mich an, als sie an mir vorbei in ihr Haus hineingeht. Wir folgen.
‘Habt ihr schon gefrühstückt?’
‘Ja, im Java Village Cafe,’ sage ich.
Sie nickt mir zu. ‘Wollt ihr vielleicht noch einen Kaffee?’
‘Sehr gern,’ sagt Bill, ‘kann ich sie helfen?’ Die beiden gehen in die Küche. Britta und Heiko setzen sich ins Wohnzimmer und ich stehe unentschlossen im Flur.
Das Kaffeetrinken, abgesehen davon, dass es den Organismus mit einer anregenden Substanz versorgt und den Geist etwas belebt, hat eigentlich eine viel wichtigere soziale Funktion. Und ich denke, dass viele Leute sich dieser nicht vollends bewusst sind. Das Trinken und vor allem das Zubereiten von Kaffee ist eine Art von Übersprunghandlung, die es ermöglicht in einer Situation, die sonst etwas gezwungen und unangenehm wäre, beschäftigt zu sein, die Handlung sozusagen voranzutreiben, ohne nur da zu stehen und nicht zu wissen, was man als nächstes sagen oder tun soll.
Während meine Mutter mit Bill in der Küche den Kaffee zubereitet, gucke ich mich in ihrem Haus um. So kleinbürgerlich das von außen auch aussehen mag, innen ist es ziemlich individuell eingerichtet, jedes Zimmer ist in einer anderen Farbe gestrichen und im Wohnzimmer hängen Teppiche an der Wand. Wenn ich in Wichita wohnen müsste, hätte ich wahrscheinlich auch das Bedürfnis nach ganz viel Farbe.
‘Maggie,’ ruft sie mich aus der Küche. Ich gehe zu ihr.
‘Bill hat mir gerade von eurer Reise im Winnebago erzählt, ihr habt ja schon einiges gesehen.’
Sie lächelt mich an, ihre grünen Augen umringt von Krähenfüssen. Ich hatte ganz vergessen, wo ich meine Augenfarbe herhabe. Sie hat ihre grau-schwarzen Haare, die genauso lockig sind wie meine, locker hinten am Kopf hochgesteckt. Ob ich in dreißig Jahren auch so aussehen werde? Und in einem kleinen, bunten Häuschen in irgendeinem Nest wohnen werde?
‘Ja,’ sage ich, ‘da ist einiges passiert, seitdem wir in New York gelandet sind.’
‘Und eure Freundin Rosa, war die nicht auch mit dabei?’
Ich gucke an ihr vorbei aus dem Küchenfenster.
‘Ja, zu Beginn unserer Reise war sie das auch, aber als wir in New York angekommen sind, hat Homeland Security sie mitgenommen.’
Meine Mutter guckt mich einen Moment lang an. Dann nickt sie langsam und dreht sich um, um kochendes Wasser in den Kaffeefilter zu gießen.
‘Weißt du, das ist, was ich hier in Amerika immer vermisst habe, dass es keinen ordentlichen Kaffee gibt,’ sagt sie.
Ich
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