Auf der Suche nach Tony McKay
Landesregierung die Post privatisiert hat. Haben sie für’n Appel und `n Ei an `ne private Firma verkauft. Die haben gleich mal die Hälfte aller Leute entlassen, Arbeitszeit verlängert und allen Urlaub gestrichen,’ gibt der mürrische Ex-Beamte zur Auskunft. ‘Und über jedem, der hier am Schalter sitzt und arbeitet, oder Briefe und Pakete austrägt, gibt’s jetzt zwei Manager, die in der Zentrale sitzen, Papier von links nach rechts schieben, und die dicken Gehälter kassieren. Was denken Sie denn, warum das hier alles immer teurer wird? Von irgendwoher müssen die Manager ja ihr Gehalt kriegen.’
Dies erklärt in der Tat einiges: das ständig steigende Porto, die Tatsache, dass Briefe nun doppelt so lange brauchen wie früher und dass die Post nur noch alle zwei Tage mal vorbeikommt. Wie es scheint ist also auch die Deutsche Post den Weg alles Guten und Nützlichen gegangen, ist privatisiert worden, um den wenigen auf Kosten der vielen einen Profit zu ermöglichen.
‘Können Sie nicht wenigstens die Pakete, die hier zum Abholen bereit liegen, rausgeben? Ich hab’ mir extra eine Stunde frei genommen, um herzukommen,’ meldet sich nun ein jüngerer Typ.
Drei andere Parteien in der gleichen Situation stimmen mit ein, auch sie sind nur hier, um ein Paket abzuholen, das vermutlich eh niemand je versucht hat an ihre Hausadresse zu liefern. Denn nach all den Kürzungen, ist auch der Paketdienst mehr als unzuverlässig, siehe die Situation meiner Nachbarin.
‘Nicht mein Problem, um 17:00 Uhr ist Feierabend, schließlich werde ich keine Minute länger bezahlt,’ sagt nun der Mann am Schalter störrisch.
Protestgeheul erhebt sich allerseits. Die Kinder der Frau mit dem praktischen Vorschlag fangen das Heulen an. Die Rentnerin fuchtelt wild mit ihrem Gehstock herum und die Studienrätin redet eindringlich auf den Mann am Schalter ein und verlangt lauthals nach dessen Namen, um eine Beschwerde bei “einem guten Freund im Innenministerium” einzureichen. Der Mann am Schalter wird immer röter im Gesicht, weigert sich seinen ganzen Namen preiszugeben (auf seinem Namensschild steht in angelsächsischer Manier nur sein Vorname, Hubert) und droht damit, die Polizei zu rufen, um den Laden räumen zu lassen. Die Atmosphäre ist elektrisch geladen, die Stimmung revolutionär. Ich gucke Rosa an – ihre Augen leuchten. Dann marschiert sie an den Anfang der Schlange, hebt die linke, zur Faust geballte Hand und ruft mit lauter Stimme:
‘Ruhe!’
Ein paar der Anwesenden verstummen, nur der Rentner murmelt etwas von ‘hätte es damals nie gegeben’ und die Studienrätin zetert immer noch auf den Schaltertypen ein. Bei der ist das Nicht-Zuhören und über andere Hinwegreden vermutlich berufsbedingt.
‘Ruhe jetzt! Hört doch mal zu!’ Rosa hat ein paar Dezibel hochgeschraubt, mit der Folge, dass sie nun die volle Aufmerksamkeit des Raumes hat.
‘Ihr habt alle gesehen, was hier heute passiert ist und wir alle erleben täglich, wie der Post-Service schlechter und schlechter wird. Der Privatisierungswahn unserer Regierung hat ehedem gut funktionierendes Staatseigentum in einen gewaltigen Trümmerhaufen verwandelt. Wofür ist der Staat denn überhaupt noch da, wenn er all seine Aufgaben an private Firmen verkauft? Hat irgendeine dieser Privatisierungen eine Verbesserung gebracht? Fahren die Züge pünktlicher?’ Einige Zurufe der Art ‘Als ob!’ und ‘Kein bisschen! Letzte Woche ist der komplett ausgefallen und wir standen dann da, keine Ansage, gar nichts!’ belegen, dass Rosa mit ihren Ansichten nicht allein dasteht.
‘Wer hat denn profitiert von diesem Ausverkauf? Ich vielleicht oder ihr? Ich werde euch sagen, wer: die Minister, die die Privatisierungen in die Wege geleitet haben, um dann hinterher im Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens zu sitzen und fette Gehälter zu kassieren, die Bosse und Manager dieser Unternehmen, die hundertmal so viel verdienen, wie der durchschnittliche Arbeiter, sonst niemand!’ Allgemeine Zustimmung.
‘Ich sage, es ist an der Zeit, dass wir uns das, was dem Volk gehört, wieder zurückholen!’
‘Recht hat sie! Nieder mit dem Kapitalismus!’ ruft die Rentnerin, plötzlich erwacht aus ihrer Apathie.
‘Ich war nach ‘33 im Widerstand, und wofür? Doch nicht dafür, dass diese Herren in teuren Anzügen das Volk leer bluten!’
Lebhafter Applaus.
Während Rosa und die Rentnerin unseren ideologischen Überbau errichtet haben, hat sich der Schaltertyp langsam
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