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Auf der Suche nach Tony McKay

Auf der Suche nach Tony McKay

Titel: Auf der Suche nach Tony McKay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yt Genthe
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die Tüten mit Kaffeebohnen auf dem Tisch stehen sieht. Die beiden bestaunen Rosas Arbeit.
    ‘Wenn wir Glück haben, kriegen wir den Kaffee heute Abend verkauft,’ sagt Rosa zu ihnen, ‘£20 für 500g, und wenn die uns die gesamten zehn Kilo abnehmen, dann macht das £400.’
    Piotrek staunt ob dieser Geschäftstüchtigkeit.
    ‘Du so was auch in Deutschland gemacht, Kaffee verkauft?’ fragt er Rosa.
    ‘Nee, da war ich Kellnerin,’ sagt sie.
    ‘Und ein bisschen auch im Wodka-Handel,’ erinnere ich sie.
    ‘Na ja, eigentlich Cognac,’ grinst sie mich an.
    Heiko erklärt Piotrek, dass unser Flug nach New York morgen Mittag geht.
    ‘Wir fahren euch zu Flughafen, kein Problem,’ sagt Piotrek, ‘passen alle mit Gepäck in mein Lkw. Aber was wird mit euer Auto?’
    Klar, Harrys alter Mercedes, das Teil ist ja schon fast eine Antiquität. Wir gucken uns an.
    ‘Wie wäre es, wenn ihr den behaltet?’ sage ich, ‘sozusagen als Bezahlung für Unterkunft und Verpflegung?’
    ‘Ihr wollt nicht hier lassen bis wieder zurück kommt?’ fragt Piotrek überrascht.
    ‘Das kann eine ganze Weile dauern, bis wir zurückkommen. Wenn wir überhaupt wieder zurückkommen,’ sagt Rosa.
    Piotrek guckt uns nachdenklich an.
    ‘Ok, vielleicht ich kann mitnehmen nach Polen und da verkaufen.’
    ‘Das klingt im Prinzip wie eine gute Idee, ich würde nur vielleicht lieber neue Nummernschilder daran montieren, wenn ihr mit dem durch Deutschland fahrt,’ sagt Rosa.
    Piotrek guckt überrascht, ‘Auto ist geklaut?’ Dann lacht er laut auf, klopft sich auf die Schenkel, klopft Heiko auf den Rücken und lacht und lacht, und wir lachen mit, denn wie kann das nicht komisch sein? Ein Banker, zwei unterbeschäftigte Akademikerinnen und eine Ex-Politologiestudentin-Kellnerin als Auto-Klauer. Ernsthaft.
    ‘Warum gehen wir heute Abend nicht in London aus und feiern zum Abschied?’ fragt Britta nun, ‘Rosa hat sowieso einen geschäftlichen Termin im Dorchester, um die Kaffeebohnen zu verkaufen. Da können wir doch alle mitgehen und machen uns hinterher einen lustigen Abend.’
    Allgemeine Zustimmung. An unserem letzten Abend in London soll’s abgehen. Denn, auch wenn wir nicht darüber geredet haben und es uns vielleicht auch nicht eingestehen mögen, so haben wir alle Angst vor dem was nach London kommt, was uns in den USA erwartet. Was ist, wenn wir Tony McKay nicht finden werden? Was, wenn er in seinen Zwanzigern ein erleuchtetes Jahr hatte, in dem er sein Buch geschrieben hat, und hinterher wieder der Durchschnittlichkeit anheimgefallen ist? Was, wenn er schon lange nicht mehr lebt? Wer gibt uns dann eine Antwort?

Ein Abend in London
     
    Die Vorbereitungen für heute Abend laufen auf Hochtouren. Ein Bad für sechs Leute ist definitiv zu wenig. Notiz an mich selber: wenn ich jemals so viel Geld haben sollte, mir ein Haus kaufen oder bauen zu können, selbst wenn das nicht mehr in diesem Leben passieren sollte, sondern in meiner Reinkarnation fünf Generationen von heute, dann wird es für jeden Bewohner ein Badezimmer geben. Oder wenigstens ein Bad für zwei Bewohner, das ginge wohl auch noch.
    Wir drei Mädchen quetschen uns alle auf einmal rein.
    Britta sieht wie üblich wie aus dem Ei gepellt aus und ich bürste zumindest einmal meine widerspenstigen Locken durch.
    Da Rosa einigermassen präsentabel aussehen muss, damit man ihr die Plantagentochter aus Kenia abnimmt, leiht Britta ihr ein schwarzes Kostüm, doch da Rosa größer ist als Britta, sitzt es recht eng und kurz.
    Sie betrachtet sich im Spiegel an, während Britta hinter ihr steht und versucht Rosas Haare auf ihrem Kopf hochzustecken, so dass sie zumindest äußerlich ein wenig wie eine Geschäftsfrau wirkt.
    ‘Also ich weiß nicht,’ sagt Rosa nach einer Weile, ‘ich denke Safari-Helm und Tropenanzug wären passender, was meinst du, Maggie?’
    Während Britta schon den Mund aufgemacht hat, um Rosa eine Lektion in Sachen Modetrends in der Geschäftswelt zu geben, sagt Rosa,
    ‘Just kidding. Ich denke, selbst ich würde mir Kaffee abkaufen, wenn ich mir so begegnete.’
    ‘Quatsch,’ sage ich, ‘wenn du dir selber in so einem Kostüm begegnen würdest und nicht wüsstest, dass du du bist, würdest du dir in den Kaffee spucken und die Abwesenheit eines vernünftigen Klassenbewusstseins vorwerfen.’
    Rosa betrachtet sich weiter und dreht den Kopf zur Seite. ‘Wahrscheinlich hast du Recht, Maggie. Dann hoffen wir mal, dass ich mir heute Abend nicht begegnen

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