Auf der Suche nach Tony McKay
machen sich weniger Gedanken darüber, wo ihr nächster Fix herkommt, als diese Leute sich über ihren nächsten Hamburger sorgen.
‘Hast du eigentlich deiner Mutter Bescheid gesagt, dass du kommst?’ fragt Heiko.
‘Ja, ich hab’ ihr noch von H. aus geemailt, dass ich auf dem Weg bin, aber noch nicht genau weiß, wann wir in Wichita sein werden.’
‘Wie weit ist das denn von New York nach Wichita?’ will Rosa wissen.
‘Ich denke etwas mehr als 2000 Kilometer. Ungefähr so weit, wie von H. nach Madrid, also schon ein ganzes Stück. Aber wir gucken mal, was Tonys Verlag uns zu sagen hat, vielleicht liegt Wichita ja auch auf dem Weg zu Tony.’
Rosa nickt. ‘Also zuerst New York, um Informationen über Tony zu bekommen und das Geld aus dem Fond abzuziehen. Dann irgendwann nach Wichita. Ist zumindest ein bisschen was wie ein Plan.’
‘Irgendwelche Ideen, was wir uns in New York angucken sollen?’ frage ich in die Runde, während ich eines der in-flight Magazine, das diverse Sehenswürdigkeiten listet, durchblättere.
‘Britta, gibt es etwas, was du in New York gern sehen würdest?’
Britta trennt sich einen Moment von Staszeks Photo und lehnt sich über Rosa, um einen Blick in das Magazin zu werfen.
‘Ohlala,’ sagt Rosa und schiebt Brittas Schal zur Seite. Zum Vorschein kommt ein Knutschfleck erster Güte.
‘Na und?’ sagt Britta und macht sich nicht die Mühe, den wieder zu verdecken. ‘Außer diesem Photo ist das das einzige, was ich von ihm habe. Und der Fleck ist in ein paar Tagen auch weg und dann habe ich nur noch das Photo,’ sagt sie leise.
‘War nicht so gemeint,’ sagt Rosa, ‘ich wünschte, ich hätte auch mal einen.’
Heiko kichert. Rosa grinst ihn an. ‘Na, du wirst mir ja eher keinen machen,’ sagt sie, ‘aber vielleicht stoppe ich auf dem Rückweg in London und besuche Martin.’
‘Herrn Pohlmann?’ fragt Britta überrascht.
‘Klar,’ sagt Rosa, ‘der Kerl war übercool.’
Bei jeder anderen hätte ich dies für Ironie gehalten, aber ich kenne Rosa lange und gut genug, um zu wissen, dass sie es Ernst meint.
‘Auf jedes Töpfchen passt ein Deckelchen,’ sagt Britta mit einem Seufzer, streicht sich über ihren Knutschfleck und widmet ihre Aufmerksamkeit wieder dem Staszek-Photo.
‘Müssen jetzt nur noch einen Deckel für Maggie und Heiko finden. Na ja, aber die USA sind ja groß, da sollte es wohl mehr Auswahl geben, als zu Hause auf dem platten Land.’
‘Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, was, Heiko?’ sage ich zu ihm.
Die Stewardess kommt wieder vorbei und bietet Getränke an. Die Amerikaner neben Heiko lassen sich jede Menge Cola geben und der Mann einen Bourbon dazu. Nach dem Exzess der letzten Nacht halten wir uns an Wasser und Apfelsaft. Zudem scheint es mir eher unwahrscheinlich, dass die hier bei American Airlines polnischen Wodka führen. Und überhaupt, es würde sich irgendwie falsch anfühlen, ohne Piotrek und Staszek Wodka zu trinken.
Rosa scribbelt irgendetwas in ihr Notizbuch, Heiko hat jetzt auch angefangen, das in-flight Magazin durchzublättern, Britta hat die Augen geschlossen und der glückliche Ausdruck auf ihrem Gesicht, lässt mich denken, dass sie in Gedanken gerade in West Ham vor circa zwölf Stunden ist. Mir fallen langsam die Augen zu.
Und dann waren’s nur noch drei...
Ich wache auf als eine Durchsage aus dem Lautsprecher kommt. Offenbar sind wir nur noch eine halbe Stunde von New York entfernt. Die Stewardessen gehen durch die Reihen, um die Reste des Lunches, Kaffeebecher und dergleichen wegzuräumen.
Heiko hat für uns vier noch in London ein ESTA beantragt, eine elektronische Reiseerlaubnis für Menschen, die aus Ländern kommen von denen die USA kein Visum fordern, und für dieses mit Piotreks Kreditkarte bezahlt, da wir nach wie vor bemüht sind, keine elektronische Spur zu hinterlassen.
‘Das heißt also, dass die uns dann bei der Einreise keine Probleme machen werden,‘ sagt Rosa zu Heiko.
‘So verstehe ich das,‘ antwortet der, ‘keiner der Anträge ist abgelehnt worden.‘
Rosa wirkt nachdenklich. ‘Wenn man sich so benimmt, dass man sich überall in der Welt Feinde macht, dann würde ich mir auch einen Riesenzaun um mein Land bauen und jeden, der kommt doppelt durchchecken.‘
‘Ich wäre hier etwas vorsichtig mit dem, was du sagst,‘ sage ich ihr.
‘Versteht ja sowieso keiner Deutsch,‘ antwortet Rosa.
Wir schnallen uns alle wieder an. Das Flugzeug verliert an Höhe, der
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