Auf der Suche nach Tony McKay
Kunstunterricht, wo du Blau und Gelb zusammen kippst und dann kommt da immer Grün heraus. So funktioniert das Leben nun mal nicht und in der Hälfte der Fälle bekommst du Lila.’
‘Du meinst, Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt,’ sagt Britta und lacht trocken.
‘Ja, ich schätze, das ist es, was ich sagen will. Eine etwas kompliziertere Version von “Das Leben ist voller Überraschungen”.’
Obwohl sich das für unsere augenblickliche Situation viel zu trivial anhört.
Heiko klopft an der Tür und tritt ein. Er sieht auch nicht so aus, als ob er viel geschlafen hätte.
‘Da heute Sonntag ist, hat das Konsulat zu. Die machen erst morgen früh um neun Uhr wieder auf.’
‘Na super,’ sage ich, ‘und was jetzt?’
‘Da war irgend so ein Typ an der Leitung und der hat sich zumindest Rosas Namen aufgeschrieben, um hier bei den Behörden mal nachzufragen. Wir sollen morgen früh noch mal anrufen.’
‘Haben Homeland Security nicht irgendwo eine Art Büro, wo man sich erkundigen kann?’ fragt Britta.
‘Ich hab’ deren Nummer schon x-mal angerufen, immer die gleiche Antwort, “no comment on ongoing investigations”,’ sagt Heiko.
Wir sitzen auf den Betten, keiner sagt etwas. Diese Situation hatte wohl niemand von uns antizipiert. Wir sind geradezu gelähmt vor Entschlusslosigkeit, so wie das mitunter passiert, wenn ein Plan schief geht und man umdisponieren muss. Nur dass das üblicherweise dann ein Fall von “Tut mir leid, wir haben kein Erdbeereis mehr, darf’s auch was anderes sein?” ist und man dann da steht und sich nicht entscheiden kann. Wobei dies hier ist doch um ein Vielfaches schlimmer ist, als kein Erdbeereis mehr.
Irgendwann gehen wir raus auf die Straße und laufen, einfach nur, um etwas zu tun. Der Central Park ist in der Nähe und nun bekommt Heiko den endlich zu sehen. Im Sommer und unter anderen Umständen mag das hier ganz schön sein, aber die tote Februarnatur entspricht in etwa dem, was wir fühlen. Ohne Plan laufen wir wieder aus dem Park heraus, kommen auf der Upper West Side an einem Cafe vorbei und setzen uns hinein. Auf der Straßenseite gegenüber ist ein CoffeeAllstars, komplett mit davor geparktem Grasauto. Ich drehe dem Fenster und diesem Symbol der Globalisierung den Rücken zu.
Ein junger Kellner kommt zu uns.
‘Three coffees,’ sagt Heiko. Der Kellner guckt verwirrt.
‘What kind of coffee? We’ve got Flat White, Cappuccino, Latte, Latte Machiato, Pumpkin Spice Latte, Cafe Americano, Frappe, Eggnog Latte,...’ und so weiter und so fort - mal wirklich, wer braucht fünfzig verschiedene Arten von Kaffee?
Ich bin kurz davor den Menschen anzuschreien ‘Just get us some bloody coffee!’ und selbst Heiko hält schon den Kopf in Händen, als Britta den Kellner mit ‘Three Americanos, thanks,’ unterbricht und der wieder abzieht. Ist ja auch nur ein kleines Rädchen in der Mühle von Corporate America.
Wie traurig. Wie viele Kellner mag das geben, die in der Lage sind diese ewig langen Kaffee-Karten herunterzuleiern, aber wer von denen kann denn noch Frost oder Poe zitieren?
Der Kaffee kommt und ist sogar einigermaßen genießbar. Ich gucke aus dem Fenster. Ein einzelner Mann fortgeschrittenen Alters in einer dicken Daunenjacke geht mit einem Schild vor dem CoffeeAllstars-Laden auf und ab.
Der Manager der Filiale tritt auf die Straße und fängt an, mit dem Demonstranten zu streiten. Er zeigt die Straße hinunter, offenbar will er, dass der Mann dorthin verschwindet. Der rührt sich jedoch nicht vom Fleck und nutzt die Gelegenheit, seine Meinung lauthals kund zu tun. Selbst hier drinnen können wir einiges verstehen. Auf der Straße bleiben vereinzelt Leute stehen, denn alle mögen ein Drama aus dem wirklichen Leben. Der Manager geht frustriert wieder nach drinnen und der Mann mit seinem Schild läuft weiter vor dem Laden auf und ab. Interessanterweise steht auf dem Schild:
CoffeeAllstars
Poisons
People!
Ich stoße Heiko und Britta an und muss an die Flaschen denken, die wir aus dem Lieferwagen hinter Bremen mitgenommen haben.
Der Kellner stellt sich an unseren Tisch. ‘That guy is there almost every day,’ sagt er und schüttelt den Kopf, ‘I mean, what does he think he is going to achieve anyway? The manager calls the cops, the cops take him away and then he is back the next day. Not as if he is going to change anything.’
Wir gucken wieder zu dem Mann hinüber, der selbstvergessen unermüdlich
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