Auf die feine Art
mochte – es war mir schon mal passiert, dass ich jemand gern hatte, der sich als Mörder entpuppte. Aber irgendetwas stimmte hier nicht. Ich musste herausfinden, was.
Drei
Feine Leute unter Verdacht
Bei Hänninens war es merkwürdig still. Die Spuren der Geburtstagsfeier waren restlos beseitigt, als wäre ein Reinigungsdienst am Werk gewesen. Risto, der mir die Tür öffnete, hatte eine angemessen ernste Miene aufgesetzt. Die anderen hielten sich im großen Wohnzimmer auf. Annamari trank Kognak, Marita hatte den Arm um sie gelegt. Antti stand bei Sannas Foto am Kamin und grüßte mich nicht mal.
Annamari hob den Blick von ihrem Kognakschwenker. »Ach Maria, wie geht es denn meinem Kimmo? Wann lassen sie ihn gehen? Ich hab schon versucht, Erkki Henttonen anzurufen, damit er Kimmo hilft, aber …«
»Eki ist segeln, auf seinem Boot hab ich ihn aber auch nicht erreicht. Bis morgen Abend kommt er sicher zurück. Kimmo geht es den Umständen entsprechend, und länger als zwei Tage können sie ihn nicht festhalten. Wo sind denn die Zwillinge?«
»Unsere Eltern haben sie nach Inkoo geholt und Einstein auch gleich mitgenommen. Sie sind vor einer halben Stunde abgefahren. Wir dachten, es wäre besser so. Sannas Tod war ein schwerer Schock für die beiden«, erklärte Marita.
Ich überlegte, ob sie an heißen Sommertagen immer ein langärmliges schwarzes Kleid trug oder ob sie das enge Viskosekleid zu Armis Gedächtnis angezogen hatte. In diesem Gewand wirkte Marita wie ein dünner schwarzer Strich, den jemand mit leicht zitterndem Pinsel an die blassblaue Wohnzimmerwand gemalt hatte. Wie Antti war sie hager, aber wo bei Antti Muskeln saßen, hatte Marita nur Sehnen.
Ich berichtete ihnen in Kurzfassung, wie ich Armis Leiche gefunden hatte und was mit Kimmo geschehen war. Über den Gummianzug und die Sadomaso-Zeitschriften zu sprechen fiel mir schwer, aber es musste sein, schließlich spielten sie in der Beweiskette der Polizei eine wichtige Rolle. Offenbar hatte Annamari keine Ahnung von den sexuellen Neigungen ihres Sohnes gehabt, denn sie fing regelrecht an zu zittern.
»Wie entsetzlich, was soll ich bloß Henrik sagen? Ich muss bald in Ecuador anrufen … Und der arme Kimmo, was hat das alles zu bedeuten … Hatte er es nicht gut bei Armi, dass er so etwas …«
In der ersten Klasse der Oberstufe war Annamari meine Französischlehrerin gewesen. Sie war eine von diesen zerbrechlichen, nervösen Gestalten, die ihre Schüler einfach nicht bändigen können, selbst wenn sie wie eine Feuersirene losheulen. Oft genug hatte ich stellvertretend für sie »Ruhe!« gebrüllt und meistens auch Wirkung erzielt. In Französisch hatte ich eine Eins gekriegt, trotzdem war ich erleichtert, als Annamari nach einem Jahr wegzog, weil ihr Mann in eine andere Stadt versetzt worden war. Ihre Nachfolgerin war zwar knochentrocken, aber ich brauchte mich wenigstens nicht mehr für meine Lehrerin zu schämen.
Annamari war ständig in Bewegung, sie drehte den Kopf unruhig hin und her, redete mit brüchiger Stimme unaufhaltsam weiter.
»Wie können die Polizisten denn behaupten, mein Kimmo hätte jemanden umgebracht? Mein Kind … Ich darf meinen Sohn doch wenigstens auf dem Polizeipräsidium besuchen, nicht wahr, ich kann ja mit dir hingehen, Maria …«
»Annamari, hör mal, du solltest dich lieber ein bisschen ausruhen«, unterbrach Risto ihren Redefluss. Die Anrede klang irgendwie seltsam, obwohl ich natürlich wusste, dass Annamari nur Ristos Stiefmutter war. »Komm mit ins Kinderzimmer, da kannst du dich in aller Ruhe hinlegen.«
Risto lehnte seinen Kopf mit dem schon leicht schütteren braunen Haar beinahe zärtlich an Annamaris altersbleiche Engelslocken, als sie untergehakt aus dem Zimmer gingen.
»Hoffentlich denkt Risto daran, ihr ein Beruhigungsmittel zu geben«, sagte Marita trocken. »Haben wir überhaupt noch was im Haus, oder sollte ich Hellström anrufen und mir ein Rezept ausstellen lassen?«
»Verschreibt der auch Beruhigungsmittel? Ich denke, er ist Gynäkologe.«
»Das schon, aber auch so eine Art Hausarzt«, erklärte Marita.
»Manche mögen ihn allerdings nicht, Mutter zum Beispiel hat ihm irgendwas übel genommen und den Arzt gewechselt. Es stimmt schon, dass er so eine Art Nachrichtenzentrale ist, aber dafür kommt er zu jeder Tages- und Nachtzeit, wenn jemand Hilfe braucht.« Marita strich sich die Haare aus dem Gesicht, mit einer Bewegung, die mir bekannt vorkam. Richtig, Antti machte es genauso, wenn er
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