Auf die feine Art
Annamari möchte Vater hier haben, damit er die Verantwortung mit ihr teilt.«
Ich hatte Henrik Hänninen nur einmal getroffen, vor mehr als zehn Jahren. In dem Winter, als die Hänninens in meiner Heimatstadt wohnten, hatten meine Eltern, die beide Lehrer sind, ihre neue Kollegin und deren Mann zu uns eingeladen. Ich hatte an dem Abend wahnsinnige Menstruationsschmerzen und war deshalb zu Hause.
War Annamari Hänninen ausufernd, so konnte man Henrik nur als abwesend bezeichnen. Ich hatte damals den Eindruck gewonnen, dass er sich keinen Deut darum scherte, was um ihn herum geschah. Im Lauf der Jahre war er auch in konkretem Sinn abwesend geworden, indem er einen langen Auslandseinsatz nach dem anderen übernahm. Kurz nach Sannas Tod war er nach Ecuador gegangen, von wo er erst Ende des Jahres zurückkommen sollte. Anttis Eltern regten sich darüber auf, dass Henrik seinen Enkeln Matti und Mikko zwar teure Geschenke schickte, sich sonst aber nicht um sie kümmerte.
»Es bringt doch nichts, deinen Vater nach Finnland zurückzurufen, was kann er hier schon ausrichten? Wichtiger wäre es, Eki Henttonen zu erreichen, probier’s ab und zu mit dem Bootstelefon. Und halte bitte Annamari vom Polizeipräsidium fern.« Ich merkte, dass ich schon wieder jemanden herumkommandierte, dem ich gar nichts zu befehlen hatte, aber Risto schien es mir nicht übel zu nehmen.
»Sag mal, Risto, ich war nicht mehr ganz munter, als Antti und ich von deiner Geburtstagsfeier aufgebrochen sind. Erinnerst du dich, wer danach noch geblieben ist? Die meisten waren ja wohl schon weg.«
Risto fragte nicht, warum ich das wissen wollte, sondern antwortete nach kurzem Überlegen: »So ganz nüchtern war ich auch nicht mehr, ich hatte mit Eki Henttonen ein paar Kognaks zu viel getrunken. Aber Eki war auf jeden Fall noch da, Kimmo und Armi natürlich, und Mallu, Armis Schwester. Make wohl auch, er saß mit Annamari in der Hollywoodschaukel. Die beiden haben sich angeregt unterhalten, ich weiß noch, dass ich mich darüber gewundert habe, weil ich dachte, sie würden kein Wort miteinander reden. Make ist ja …«
»Ich weiß. Ich fand es übrigens klasse, dass du Make zu deiner Feier eingeladen hast.«
»Na ja, es war ja wohl eher Sanna, die ihn zum Trinken verführt hat als umgekehrt«, meinte Risto düster, als wir vor dem Präsidium vorfuhren. »Und Sanna hatte schon so lange mit dem Tod kokettiert, da kann man keinem anderen die Schuld geben als ihr selbst.«
Ich kannte Risto nicht sehr gut, wir sprachen zum ersten Mal über persönliche Dinge, und ich war verwundert über seinen schroffen Ton. Nun entdeckte ich Risse in der Fassade des tatkräftigen, aber jovialen Mannes. Wie mochte das Verhältnis zwischen den Geschwistern gewesen sein? Ich hätte das plötzlich so interessant gewordene Gespräch gern fortgesetzt, aber es war fast acht, ich musste mich um Kimmos Verteidigung kümmern.
»Wenn Antti noch bei euch ist, sag ihm bitte, es kann spät werden.«
Kimmo sah aus, als wäre er geschrumpft. Ich bestellte ihm die Grüße seiner Familie, aber meine Worte schienen ihn nicht zu erreichen, er war wie in Trance.
»Wäre es nicht besser, einen Arzt zu rufen?«, sagte ich schließlich zu Pertsa Ström, der immer ungeduldiger wurde.
»Du siehst doch selbst, dass Kimmo nicht vernehmungsfähig ist.«
»Der simuliert bloß. Er hat wohl endlich begriffen, wie tief er in der Scheiße steckt.«
Daran zweifelte ich nicht. Kimmo war nicht dumm. Und wenn er Armi doch umgebracht hatte …
Pertsa berichtete rasch, dass die Nachbarn, die man zu Hause angetroffen hatte, den ganzen Vormittag über nichts Besonderes bemerkt hatten. Der unmittelbare Nachbar war nicht zu Hause gewesen, der zweitnächste hatte zufällig aus dem Fenster geschaut, als ich kam, sonst aber nichts gesehen. Ich fragte mich, warum Pertsa mich so bereitwillig informierte. Wollte er mir zeigen, wie deutlich alles auf Kimmo hinwies?
Nachdem er eine Tasse Kaffee bekommen hatte, war Kimmo in der Lage, noch einmal zu erzählen, was am Morgen geschehen war, und uns zu versichern, die Meinungsverschiedenheit über die Gummikleidung hätte Armi nicht davon abgehalten, Kimmo im Oktober zu heiraten.
»Warum erst im Oktober? Wenn ihr euch einig wart, hättet ihr doch auch früher heiraten können?«, hakte Pertsa nach.
»Wir haben in Nord-Tapiola eine Wohnung gekauft, in einem Neubau, und der wird erst Anfang Oktober fertig.«
»Von welchem Geld kaufst du denn Wohnungen, ich denke, du
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