Auf die feine Art
angerufen, wie ich das letzte Blech aus dem Ofen geholt hab, deswegen hab ich die Armi erst ganz vergessen. So gegen fünf vor eins bin ich dann zu ihr rübergegangen, durch den Garten, aber wie ich zum Törchen kam, hab ich mich richtig erschrocken, weil, da hab ich Armi gehört. Sie war wütend, dabei ist sie sonst nie böse geworden.« Die Augen der Alten funkelten, sie wusste offenbar ganz genau, wie wichtig ihre Aussage war.
»War das ganz sicher Kimmo Hänninen, mit dem Armi sich gestritten hat? Was haben die beiden gesagt?«
»Na ja, ich hab eigentlich nur Armis Stimme gehört. Wie ich also ans Tor kam, hat die Armi so was gesagt wie ›Ich spiel da nicht mehr mit, das ist gegen mein Gewissen‹ …«
»Und was hat der andere gesagt?«
»Ach, weißt du, ich hör ja nich mehr so gut wie früher. Tiefe Stimmen versteh ich ganz schlecht. Die Armi war so wütend, dass sie ziemlich schrill gesprochen hat. Aber der andere, der hat bloß gemurmelt. Ich hab nich mitgekriegt, was der gesagt hat. Dann hat die Armi wieder gerufen, dass sie zur Polizei geht. Da hab ich gemerkt, dass das nich für meine Ohren bestimmt is, und bin heim. Ich hab gedacht, ich ruf vorher an, eh ich nochmal mit den Piroggen hingeh, aber wie ich um halb zwei telefoniert hab, is keiner drangegangen.«
»Gut, dass Sie nicht zurückgegangen sind, sonst wären Sie noch über die Leiche gestolpert«, meinte ich.
»Ach, Kleine, ich hab doch keine Angst vor Toten. Ich war im Krieg bei der Frauenhilfstruppe ganz vorn an der Front, da hab ich alle Sorten von Leichen gesehen. Die sind auch nich anders wie die Lebenden«, versetzte Kerttu Mannila. »Wenn ich bloß den Mut gehabt hätte, mit meinen Piroggen einfach reinzugehen, dann war die Armi vielleicht noch am Leben.«
Was sollte ich dazu schon sagen, im Grunde hatte sie Recht. Aber wenn der Mörder von Kerttu Mannilas Aussage erfuhr, war sie womöglich selbst in Gefahr. Ob Pertsas Leute daran gedacht hatten?
Als ich sie darauf ansprach, lachte sie nur.
»Was weiß ich denn schon, ich hab den Mörder doch gar nich richtig gehört. Ich kann nich mal sagen, ob’s ein Mann war oder ’ne Frau. Er hat leise gesprochen, als wenn er Angst hätte, dass ihn einer hört. Natürlich hab ich erst gedacht, es ist Kimmo, manchmal streiten sich ja auch Liebespaare, aber jetzt weiß ich nicht …«
Wenn Pertsa seinen Antrag auf Haftbefehl gegen Kimmo mit Frau Mannilas Aussage begründete, war seine Beweiskette mehr als wacklig. Vielleicht fand sich ja jemand, der bezeugen konnte, dass Kimmo schon kurz vor eins zu Hause gewesen war. Sollte ich nach Zeugen suchen? Die Polizei schien jedenfalls nichts dergleichen zu tun.
Als ich ins Büro kam, musste ich gleich als Erstes ans Telefon rennen.
»Elina Kataja hier, Tag. Sie haben um Rückruf gebeten.«
»Guten Tag. Ja, ich würde gern mit Ihnen über den Club Bizarre und über Kimmo Hänninen sprechen. Sie kennen ihn doch?«
»Kimmo? Ja, den kenn ich. Wieso? Sind Sie seine Freundin?«
Elinas tiefe Stimme klang gereizt und misstrauisch.
Ich erklärte ihr, was passiert war und weshalb ich nachweisen musste, dass Kimmos sadomasochistische Neigungen ihn nicht automatisch zum Mörder machten.
»Kimmo hat Ihnen also selbst gesagt, Sie sollten mit mir sprechen?«, fragte Elina. »O Gott! Muss ich etwa auch vor Gericht?«
»Vorläufig nicht. Eventuell später, falls gegen Kimmo Anklage erhoben wird. Aber Sie können mir also bestätigen, dass Kimmo … Masochist ist?«
»Klarer Fall von Maso«, lachte Elina. »Das ist ja gerade sein Problem. Er möchte zu gern mit einer dominanten Frau seine S/M-Geschichten treiben, will aber seine Freundin nicht betrügen, weil er sie liebt. Verflixt, ich hab erst geglaubt, Sie wären das, obwohl Ihr Name mir gar nicht bekannt vorkam. Ich dachte, jetzt ruft Armi an und sagt mir, ich soll die Finger von Kimmo lassen.«
»Wieso? War denn was zwischen euch?«, fragte ich aus purer Neugier.
»Nein! Wir haben allerdings bei unseren Clubfeten so ’ne Performance gemacht, wo ich Kimmo quäle. Alles bloß Vorspiel, überhaupt kein richtiger Sex, den verhindert nicht nur das finnische Gesetz, sondern auch Kimmos Moral. Wir hätten sofort die Bullen am Hals, wenn wir in der Öffentlichkeit ficken würden … Und wie gesagt, Kimmo wollte seine Freundin nicht betrügen. Er hält diese Seite seines Lebens streng getrennt von allem anderen. Trotzdem hält sie ihn gefangen, und gleichzeitig ist er ein Gefangener von Armis Liebe. Über
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