Auf die Freundschaft!
half Hannah.
„Ihr seid so ein tolles Paar. Das hat Ken neulich noch zu mir gesagt. Ihr seht richtig happy aus, meinte er“, versuchte ich ihr zuzureden, aber Karin schüttelte nur den Kopf.
Ihr Blick war verschleiert und ihre Stimme war belegt, als sie weitersprach.
„Wir haben geheiratet, als ich gerade mein Abi in der Tasche hatte. Ich frage mich, was ich noch alles erlebt hätte, wenn es anders gekommen wäre.“
Oh, oh, diese Karin gefiel mir ganz und gar nicht. Ob Mutter Teresa auch mal eine Midlife-Crisis gehabt hatte? Hatte sie auch mal einer Freundin zugeraunt: „Stell dir vor, was gewesen wäre, wenn ich damals mit diesem Mann ausgegangen wäre“?
Ich verwarf den Gedanken. Hannah legte ihre Hand ebenfalls auf Karins Arm, aber statt ihn zu streicheln drückte sie ihn unsanft.
„Jetzt hör mal zu, Karin“, begann sie. „Es bringt nichts, der Vergangenheit nachzutrauern. Stell dir vor, du hättest Manfred nie kennengelernt. Vielleicht wärst du genau so betrogen worden wie Claudi oder ich. Sei doch froh, dass du so etwas nicht durchmachen musstest.“
„Du?“, fragte Karin.
Hannah winkte ab.
„Die Luft ist bei allen irgendwann einmal raus, sobald dich der Alltag überrollt“, stimmte ich zu. „Wichtig ist es doch, immer wieder zu versuchen, das Feuer anzufachen.“
„Ein Vorschlag“, warf Maria ein. „Mach mit Manfred einen Pärchenabend aus, am besten einmal im Monat. An diesem Abend unternehmt ihr mal was Tolles zusammen. Geht mal wieder ins Kino, sucht euch ein schönes Restaurant und genießt eure Zeit als Ehepaar. Ich wette meinen Pudel, dass euch das wieder näher zusammenbringt.“ Sie streichelte Benny, der friedlich auf ihrem Schoß lag.
Karin lächelte gerührt. Sie blickte jede von uns dankbar an und nickte. Dann räusperte sie sich.
„Ihr habt recht.“
Sie goss uns allen Wein nach und trank selbst einen Schluck Apfelsaft.
„Kann ja nicht jeder so sein wie Maria und Christian.“ Ich zwinkerte Maria zu, aber Maria winkte ab.
„Ich will euch echt nicht enttäuschen, aber bei uns ist auch gerade der Wurm drin.“
Schockiert sah ich sie an. Was war nur los heute?
„Du jetzt auch noch?“, fragte Hannah überrascht.
„Wir haben gestern einen großen Streit gehabt wegen dieser ganzen Kinderlosigkeit“, erklärte Maria. „Christian meint, wir seien nicht dazu bestimmt, Kinder zu bekommen.“
„Was meint er damit?“, fragte ich.
„Christian ist noch immer auf dem Trip, dass wir es gar nicht mehr versuchen sollten. Keine Adoption, keine Kinderwunschklinik, kein gar nichts.“
„Aber wie kommt er denn plötzlich darauf? Er wollte doch so gerne Kinder haben!“ Karin griff nach Marias Hand.
„Er meint, er hätte es sich anders überlegt. Quatsch, sage ich euch. Ich glaube, er will einfach nicht so einmal so einen Verlust erleben wie mit der Fehlgeburt. Wir hatten noch nie einen so großen Streit. Christian hat sogar auf der Couch geschlafen! Das ist uns noch nie passiert! Im Moment läuft einfach alles schief.“ Marias Stimme zitterte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich finde das alles so ungerecht“, schluchzte sie nun und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Schultern zuckten, während sie weinte.
„Ich bin schuld, dass wir keine Kinder kriegen können!“
„Das ist doch Unsinn!“, sagte Karin und legte ihre Hand auf Marias Rücken. Hannah und ich stimmten ihr zu.
„Niemand hat Schuld daran“, versuchte ich sie zu trösten.
„Sieh es doch mal von der positiven Seite“, sagte Hannah und ich schwor mir, wenn sie jetzt einen ihrer Kinder-sind-sowieso-total-ätzend-Sprüche bringen würde, würde ich ihr mit aller Kraft gegen ihr Schienbein treten. Maria sah sie mit geröteten Augen an.
„Ihr könnt eure Ehe noch weiter genießen und ausbauen. Schiebt die Adoption an und bekommt dann im nächsten Jahr ein wunderbares Baby, dem ihr ein behütetes Zuhause geben könnt. Ich bin mir sicher, Christian hat den Schock nur noch nicht verarbeitet.“
Ich hatte unwillkürlich die Luft angehalten, als ich Hannah zugehört hatte, aber nun atmete ich wieder aus. Ihr Taktgefühl hatte heute glücklicherweise wohl einen Arbeitstag und machte für Maria sogar Überstunden. Eigentlich dachte ich, Hannah hätte ihr ganzes Mitgefühl schon bei Karin aufgebraucht.
„Ich weiß ja, dass ihr recht habt. Aber ich bin trotzdem so unglücklich“, seufzte Maria.
„Dafür verlässt dich dein Mann nicht, weil nebenan diese junge Blondine eingezogen
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