Auf die Freundschaft!
ausbrach. Ich weinte die ganze Fahrt über. Meine Freundinnen schwiegen und Karin tätschelte vom Sitz hinter mir aus meine Schulter.
Zu Hause angekommen stand mir ein sehr schwerer Schritt bevor. Mike saß im Wohnzimmer auf der überdimensional großen Couch und sah fern. Ich setzte mich neben ihn.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte er überrascht. Ich musste verheult und gepeinigt aussehen.
„Schatz, du weißt doch, warum Dad und ich uns letztes Jahr getrennt haben, oder?“
„Dad ist fremdgegangen.“ Seine Stimme klang angespannt, als ahnte er bereits das Schlimmste.
„Dad hat mir versprochen, das nie wieder zu tun“, erklärte ich weiter. „Aber ich habe ihn eben wieder mit einer anderen Frau erwischt.“
„Nein! Nein, das glaube ich nicht!“
„Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Wir werden wieder in unsere alte Wohnung ziehen. Morgen hole ich den Schlüssel.“
Dann begann Mike zu weinen und es brach mir das Herz. Selbst bei unserer Trennung im letzten Jahr hatte er nicht so schockiert gewirkt wie jetzt. Ich setzte mich zu ihm. Er schmiegte sich in meine Arme, während ich ihm den Kopf streichelte.
„Wenigstens haben wir uns“, flüsterte ich und weinte ebenfalls.
***
Meine Chefin erlaubte mir, kurzfristig drei Tage Urlaub zu nehmen, um die gröbsten Erledigungen zu machen. Ich bot Mike an, ihm für die Schule eine Entschuldigung zu schreiben, wenn er zu Hause bleiben wollte, aber er winkte ab.
„In der Schule bin ich wenigstens abgelenkt“, meinte er, während der Inhalt des Kleiderschrankes nach und nach in Umzugskisten verschwand.
„Echt ein Glück, dass wir in die alte Wohnung zurückkönnen.“
„Ja, zum Glück hatten wir drei Monate Kündigungsfrist“, antwortete ich.
Wie schon beim letzten Mal, halfen unsere Freunde auch dieses Mal beim Umzug. Ich fühlte mich in meine Anfangszeit vor neun Monaten zurückversetzt, als ich die Kisten auspackte, Schränke einräumte und schließlich Deko-Elemente verteilte. Wir hätten uns das ganze Gerenne auch sparen können.
Nachdem Mike am Montag zur Schule gefahren war, legte ich mich auf die Couch. In meinem Kopf pulsierte Schmerz. Ich schloss die Augen. Das ging mir alles zu schnell, mein Leben war ein Chaos. Vorgestern, am Samstag, hatte ich Ken erwischt, gestern war ich umgezogen und heute sollte ich schon wieder ein neues Leben beginnen. Aber dieses Mal war es anders. Ich hatte nicht die Kraft und den Elan für einen weiteren Neuanfang. Den Schmerz noch einmal zu erleben. Wurde Liebeskummer eigentlich schwerer erträglich, je häufiger man ihn erlebte?
Mein Handy klingelte. Ich sah ein Bild von Hannah auf dem Display.
„Wenn du willst, komme ich vorbei. Ich kann dich ja nicht alleine leiden lassen“, sagte sie ohne Begrüßung. Ich grunzte, was Zustimmung signalisieren sollte.
„Kaffee?“, fragte Hannah eine Viertelstunde später. Ich hatte ihr die Tür geöffnet und mich sofort wieder auf die Couch gelegt.
„Wodka wäre mir lieber.“
Nie wieder würde ich mich von dieser Couch erheben. Hannah brachte mir einen Kaffee mit Milch und ich setzte mich nur aus Höflichkeit wieder hin.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gestand ich nach einer Weile.
Hannah sah mich liebevoll an. „Ich bin für Liebeskummer nicht unbedingt der beste Gesprächspartner. Ich wollte einfach da sein, falls du Gesellschaft brauchst. Wenn du mich fragst, sollten wir die Mafia anrufen und Ken einfach umlegen lassen.“
Bei Hannah hielt ich es durchaus für möglich, Mafiakontakte zu akquirieren, wenn ich danach fragte. Aber ich wollte nichts von alledem, ich wollte nur auf diesem Sofa sitzen, nie wieder aufstehen und in Mitleid und Trauer versinken. Dort, wo mein Herz noch vor ein paar Stunden gewesen war, klaffte ein schwarzes, schmerzendes Loch, das ich mit Kaffee zu füllen versuchte. Hannah stellte mir einen Teller mit Schokolade und Keksen hin. Genau das, was ich jetzt brauchen konnte. Ich genoss es, eine Zeit lang einfach deprimiert zu sein, ohne Mike meine starke Seite zeigen zu müssen.
„Wie hast du es damals geschafft, wieder auf die Beine zu kommen?“, fragte ich nach einer Weile, auch wenn Hannah ungern über ihre Ehe sprach. Sie blickte auf den Schaum in ihrer Tasse, der an einigen Stellen bereits den Blick auf den schwarzen Inhalt freigab.
„Es dauerte sehr, sehr lange, bis ich das verarbeitet hatte“, gestand sie dann. „Ich habe mich zu Hause verschanzt und alle Kontakte zur Außenwelt abgebrochen.
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