Auf die Ohren
weiß sie nichts Definitives, sonst hätte Lisa längst Ärger gekriegt.
»Ist es das vielleicht, Spätzchen?«, fragt mein Vater besorgt. »Erpresst Danny dich mit irgendwas? Du weißt hoffentlich, dass du uns alles sagen kannst, Spätzchen.«
»Ha!«, lacht Lisa auf und nickt verächtlich in meine Richtung. »Als ob ich mich von dem da irgendwie erpressen lassen würde. Nein, Papa, keine Sorge. Ich habe nur eine Wette gegen ihn verloren. Und wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht mehr Spätzchen nennen sollst? Ich bin fünfzehn, Papa!«
Saubere Vorstellung, kleine Schwester. Vor allem das mit der Wette. Spitzenidee, wäre ich so schnell wohl nicht drauf gekommen.
»Du wirst immer mein Spätzchen bleiben, Spätzchen«, sagt mein Vater und Lisa verdreht genervt die Augen.
»Kann ich dann gehen oder wollt ihr erst noch das FBI einschalten?«, frage ich.
»Ja, ja, geh nur«, sagt meine Mutter.
Ich zwinkere Lisa auf dem Weg nach draußen noch kurz zu und gehe in mein Zimmer. Dort angekommen setze ich mich an den Schreibtisch und ziehe mein Textebuch aus einer Schublade. Das wird quasi mein erster Auftragstext, komisches Gefühl. Meine anderen Texte sind alle mehr oder weniger spontan entstanden, wenn mich irgendetwas beschäftigt hat. Meistens fallen mir dann sehr schnell zwei Zeilen ein und ich baue den Rest drum herum. Aber diesmal ist das Thema vorgegeben, ich muss einen Text gegen die Hosen schreiben. Wobei, das hört sich so nach Zwang an, was es ganz und gar nicht ist. Ich will einen Text gegen die Hosen schreiben. Das ist eine Klasseidee – auch wenn sie nicht von mir ist.
Also, die Hosen. Wie fange ich an? Am besten mit einer Hosen - CD zur Einstimmung. Während man einen Text über die Hosen schreibt, kann es bestimmt nicht schaden, dabei die Hosen zu hören, oder?
Ich gehe an meine Anlage und schalte sie an. So, jetzt muss ich nur noch meine Hosen - CD s finden. Leichter gesagt als getan – meine CD s sind nach dem Haufen-Prinzip geordnet. Es gibt einen Haufen mit aktuellen CD s, einen Haufen mit Lieblings- CD s, einen Haufen mit Fehlkauf- CD s und einen Haufen mit alten CD s. Da ich die Hosen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sehr gern mochte, könnten sie noch im Lieblingshaufen liegen. Oder aber schon bei den alten?
Es hilft alles nichts, ich muss wühlen. Im Lieblingshaufen finde ich ziemlich weit unten schnell die Opel-Gang. Und die Unter falscher Flagge. Und die Damenwahl. Die gehören auch alle da hin, das waren richtig geile Platten.
Ich stürze mich in den Haufen mit alten CD s. Ah, da ist sie ja, die Platte, mit der meine Liebe für die Hosen endgültig gestorben ist – Opium fürs Volk. Genau, da ist ja auch Bonnie & Clyde drauf, perfekt. Das fand ich ja noch ganz gut, aber der Rest, na ja. Ich lege die CD ein und setze mich wieder an den Schreibtisch.
Also, los geht’s, was stört mich an den Hosen am meisten? Die Hosen sind schon lang nicht mehr Punk, sie sind eine stinknormale, etablierte und kommerziell sehr erfolgreiche Rockband. Wer sich heute eine neue Hosen -Platte kauft und allen Ernstes glaubt, da ist Punk drauf, lässt sich auch eine Cordhose als Jeans andrehen. Hey, genau, das ist es! Das ist der perfekte Ansatz für den Text, danach habe ich gesucht! Die ersten Zeilen nehmen bereits in meinem Kopf Gestalt an, ich greife hektisch nach meinem Kuli und fange an zu schreiben.
Am Samstag ging ich in die Stadt,
im Ausverkauf gab’s Hosen.
Ich ging in so ein Kaufhaus rein,
eins von den riesengroßen.
Wie geil, das schreibt sich quasi von selbst!
Dort traf ich einen … Mann,
den ich dann sofort fragte:
Da muss noch was rein, sonst passt die Anzahl der Silben nicht. Was für einen Mann traf ich? Einen dummen? Einen netten? Einen müden? Nein, gefällt mir alles nicht.
Dort traf ich einen kleinen Mann,
den ich dann sofort fragte:
Was kosten denn die Hosen hier?
Und dies ist, was er sagte:
Ja, das ist gut, ein kleiner Mann, ein mickriger, unbedeutender Verkäufer. Und er will mir aufdringlich irgendwelche Hosen aufschwatzen.
Diese Hosen mag jeder.
Alter Schnitt, falsches Leder.
Lassen sich sehr gut verkaufen,
garantiert schon eingelaufen.
Große Taschen für das Geld,
das ist alles, was heut zählt.
Fehlte noch, dass er mir droht.
Danke, nein – diese Hosen sind tot!
Hm, das ist ein anderes Reimschema, ein anderer Rhythmus. Dann wird das eben die Bridge, müssen sich die Jungs etwas einfallen lassen.
Okay, jetzt der Refrain. Da muss es
Weitere Kostenlose Bücher