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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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krachen, den muss man nach dem ersten Mal sofort mitgrölen können. Am besten mit einer Zeile, die sich wiederholt, wie bei Opel-Gang oder Liebesspieler. Okay, ich glaub, ich hab was.
    Habt ihr nicht genug davon?
    All die Heuchelei!
    Habt ihr nicht genug davon?
    Wann ist es vorbei?
    Habt ihr nicht genug davon?
    Lügen über Lügen!
    Habt ihr nicht genug davon?
    Lasst euch nicht betrügen!
    Ja, sehr geil, das ist genau das, was ich auch ausdrücken wollte! Okay, jetzt fehlen nur noch zwei Strophen.
    Ich sagte zu dem kleinen Mann:
    Die Hosen, die sind scheiße.
    Verarschen kann ich mich allein
    und du mich mal kreuzweise.
    Ja, zugegeben, der Reim mit kreuzweise hinkt ziemlich, da muss man die Betonung auf das weise legen, um es mit Ach und Krach hinzubiegen. Das würde ich normalerweise nie machen, aber Campino nimmt es mit den Reimen auch immer sehr locker und insofern gilt das quasi als eine weitere Anspielung auf die Hosen. So, eine Strophe noch, dann steht der Text.
    Die alten Hosen trag ich noch
    und werd’s auch nie bereuen.
    Sie sind zwar etwas abgenutzt,
    doch besser als die neuen.
    Hm, das müsste eigentlich ganz am Schluss kommen, als Fazit und Erinnerung daran, dass die Hosen nicht immer scheiße waren.
    Ich lese mir den Text noch ein paarmal komplett durch. Also, ich bin zufrieden damit, sehr zufrieden sogar. Was natürlich nichts aussagt, denn seine eigenen Sachen findet man ja meistens gut, sonst hätte man sie gar nicht erst geschrieben. Aber ob etwas wirklich gut ist, weiß man erst, wenn man es anderen Leuten gezeigt hat. Mal sehen, was die Jungs und Clarissa dazu sagen. Am liebsten würde ich ihnen den Text ja jetzt gleich zeigen. Oder irgendjemand anders, egal. Hauptsache Feedback, am besten positives. Hey, war das nicht gerade Lisa, die da an meiner Tür vorbeigehuscht ist?
    »Lisa?«, rufe ich in Richtung Flur.
    »Keine Zeit!«, schallt es zurück.
    »Nur ganz kurz! Bitte!«
    Ein paar Sekunden später steht sie im Türrahmen.
    »Was ist denn?«, fragt sie genervt. »Wenn du glaubst, ich räume auch noch deinen Dreckstall hier auf, hast du dich geschnitten.«
    »Nein, nein, nichts dergleichen«, erwidere ich und strecke ihr den Text entgegen. »Hier, lies mal, hab ich gerade geschrieben.«
    »Ein neuer Text für die Band?«, fragt sie und ich nicke zur Antwort.
    Sie nimmt den Text, setzt sich auf mein Bett und fängt an zu lesen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sie ihren Kopf wieder hebt und mich anschaut.
    »Und?«, frage ich erwartungsvoll.
    »Du weißt schon, dass ich die Hosen immer noch gut finde?«, fragt sie zurück.
    »Was, echt? Nein, wusste ich nicht. Okay, alles klar, dann findest du den Text natürlich scheiße.«
    »Nein, finde ich nicht. Auch wenn ich, was die Hosen angeht, nicht deiner Meinung bin, der Text an sich ist klasse.«
    »Echt jetzt?«, frage ich etwas ungläubig, da ich so viel Lob von meiner kleinen Schwester nicht gewöhnt bin.
    »Ja, echt jetzt«, sagt sie lächelnd, verzieht aber gleich darauf schmerzverzerrt das Gesicht und greift sich an die linke Wange.
    »Oje, stimmt«, sage ich mitleidig. »Du warst ja heute bei Lücke. Ist es schlimm? Hat er gebohrt?«
    »Gestern«, sagt sie. »Ich war gestern bei Lücke. Eigentlich nur Routine, aber dann hat er doch noch was entdeckt. Ist aber halb so wild, ziept nur ab und zu noch ein bisschen.«
    »Gestern?«, frage ich verwundert. »Christopher hat mir vorhin erzählt, er wäre heute bei Lücke gewesen, um dich abzuholen.«
    »Ja, er hat mich auch abgeholt, aber das war gestern. Hat er wahrscheinlich verwechselt. Oder du hast dich verhört.«
    Das glaube ich kaum. Ich kann mich nicht verhört haben. Und er kann das auch nicht irgendwie verwechselt haben. Also war es eine glatte Lüge. Aber warum lügt mein bester Freund mich an? Und warum unterstützt ihn meine Freundin dabei? Ich meine, sie hätte ja widersprechen können, oder? Hat sie aber nicht. Vielleicht hat Christopher ja irgendwelche Probleme, bei denen sie ihm hilft? Sehr seltsam jedenfalls. Der Sache muss ich auf den Grund gehen.
    »Ist Christopher irgendwie komisch in letzter Zeit oder so?«, frage ich Lisa.
    »Wie, komisch? Was meinst du?«
    »Na ja, hat er irgendwelche Probleme? Mit seinen Eltern oder so? Oder … mit dir vielleicht?«
    Könnte ja sein. Er hat Probleme mit Lisa und braucht ein Mädchen, um darüber zu reden. Und mir erzählen beide nichts, weil ich schließlich Lisas Bruder bin.
    »Mit mir?!«, quiekt Lisa entsetzt. »Wieso?! Hat er

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