Auf die Ohren
…okay. Alles, was du willst, Schatz.«
Steffen geht hinter ihr auf die Knie, faltet flehend die Hände und erhebt seine Stimme. »Liebste Hannah!«, brüllt er. »Ich bin der größte Trottel des Universums! Ich habe deinen Geburtstag vergessen und dich vor mehreren italienischen Kellnern blamiert, das ist unentschuldbar! Alles, was ich zu meiner Verteidigung anzubringen habe, ist die Tatsache, dass bei mir bereits vor Jahren galoppierende Vergesseritis diagnostiziert wurde! Ich könnte dir das Attest zeigen, aber ich habe es verschlampt!«
Ein kaum hörbares Glucksen mischt sich unter Hannahs Schluchzen. Clarissa gibt Steffen mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er weitermachen soll.
»Ich weiß, das macht es nicht besser, aber letztes Jahr habe ich sogar meinen eigenen Geburtstag vergessen! Echt jetzt! Als ich morgens an den Frühstückstisch gekommen bin, habe ich meine Mutter gefragt, für wen denn die Geschenke sind.«
Das Glucksen wird lauter.
»Als Wiedergutmachung lade ich dich morgen zum Essen ein! Und am Freitag auf ein richtig schlechtes Konzert! Und ab heute hast du für mich einfach jeden Tag Geburtstag, dann kann ich es auch nicht mehr vergessen! Bitte verzeih mir noch dieses eine und voraussichtlich nicht das letzte Mal, liebste … Wie war noch mal gleich dein Name?«
Hannah lacht laut auf. Sie löst sich von Clarissa und dreht sich zu Steffen um.
»Du bist … du bist echt … ein Riesenarschloch«, schnieft und kichert sie gleichzeitig.
»Heißt das, du verzeihst mir?«, fragt Steffen zaghaft.
»Wie könnte ich dem süßesten Arschloch der Welt nicht verzeihen?«, sagt Hannah und zieht ihn zu sich hoch.
»Danke«, sagt Steffen und wischt ihr eine Träne von der Wange. »Du bist echt die Beste, Simone.«
»Übertreib’s nicht«, sagt Hannah lächelnd. »Ich weiß nicht, ob ich dir an meinem Geburtstag zweimal verzeihen kann.«
»Ach, du hast Geburtstag?«, fragt Steffen gespielt erstaunt. »Warum sagst du das denn nicht gleich? Jungs, ein Geburtstagsständchen für meine großartige, alles verzeihende Freundin Anna-Lena!«
Christopher spielt sofort die ersten Töne von Happy Birthday an – natürlich in einer wesentlich schnelleren Punkversion. Wir steigen alle mit ein und Hannah kriegt das wahrscheinlich rotzigste Geburtstagsständchen aller Zeiten. Und danach sieht sie verdammt glücklich aus. Was sicher nicht der Fall wäre, wenn sie nicht mit einem Rockmusiker zusammen wäre. Wir mögen zwar teilweise sehr vergesslich, über die Maßen egozentrisch und nervend selbstverliebt sein, aber niemand bringt so viele Leute zum Lächeln wie wir. Jawohl, so ist es. Rock ’n’ Roll verbessert die Welt! Denkt alle daran, wenn wir das nächste Mal euren Geburtstag vergessen! Apropos, wann hat eigentlich Clarissa Geburtstag? Das war irgendwann im August, oder? Ach, nicht so wichtig, das krieg ich noch rechtzeitig raus. Jetzt wird erst mal geprobt!
»Los, noch mal das Hosen -Ding!«, rufe ich. »Hau rein, Robbie!«
10.
»Ich geh dann auf mein Zimmer«, sage ich und stehe vom Tisch auf.
»Augenblick, nicht so schnell, junger Mann«, sagt meine Mutter. »Nur weil du dein Abitur bestanden hast, worauf wir natürlich sehr stolz sind, entbindet dich das noch lang nicht von deinen Pflichten. Wenn ich mich nicht irre, bist du heute dran mit Tischabräumen.«
»Nö«, entgegne ich kurz und knapp.
»Wie, nö?«, hakt meine Mutter nach. »Was soll das heißen, nö?«
»Das soll heißen, dass Lisa dran ist«, erkläre ich.
»Aber Lisa war gestern erst dran«, stellt meine Mutter fest. »Folglich bist heute du an der Reihe.«
»Lisa?«, sage ich und werfe meiner Schwester einen auffordernden Blick zu.
»Ja, ja, schon gut«, stöhnt sie und fängt an, die Teller aufeinanderzustapeln. »Ich mach’s ja schon.«
»Moment mal, da stimmt doch irgendwas nicht«, argwöhnt meine Mutter und wendet sich an Papa. »Karl, unsere fünfzehnjährige Tochter übernimmt freiwillig die Hausarbeit ihres Bruders. Was sagst du dazu?«
»Das ist allerdings besorgniserregend«, antwortet mein Vater. »Ich würde sagen, sie hat entweder hohes Fieber oder wurde von Außerirdischen entführt und einer elternfreundlichen Gehirnwäsche unterzogen.«
»Oder ihr Bruder hat irgendetwas gegen sie in der Hand und erpresst sie«, fügt meine Mutter hinzu.
Mist. Das hat man nun von einer Mutter, die selbst mit einem großen Bruder aufgewachsen ist – sie kennt offenbar alle Tricks. Oder sie tut nur so. Zumindest
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