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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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Straftäter während seiner Lockerung oder nach seiner Entlassung über Sie oder Ihr Kind herfällt. Merkwürdigerweise fordert aber niemand, alle Autos und Bäume abzuschaffen, um die Allgemeinheit zu schützen.

Das schmutzige Spiel mit der Angst – »Sex and Crime« in den Medien
    Sexualverbrechen, vor allem gegen Kinder, stehen auf der Liste der Themen, die sich am besten verkaufen, weit oben. Daher wird besonders jeder seltene Sexualmord an einem Kind möglichst lange und umfangreich von ihnen »ausgeschlachtet«. Das ist der Grund dafür, warum viele Menschen die Gefahr, ihr Kind könnte gerade solch einem tragischen Verbrechen zum Opfer fallen, stark überschätzen.
    Um die wirkliche Gefahr in Deutschland zu verdeutlichen: Zwischen 1999 und 2007 wurden durchschnittlich 5,6 Kinder im Jahr während eines Sexualverbrechens bewusst oder leichtfertig vom Täter getötet. Zum Vergleich: Zwischen 2002 und 2007 starben durchschnittlich 164 Kinder im Jahr durch Unfälle im Straßenverkehr, und durchschnittlich 30731 wurden verletzt.
    Sie können an den Zahlen sehr deutlich sehen, wie sehr die »gefühlte« Gefahr von der wirklichen abweicht. Hinzu kommt die von Boulevardmedien gerne totgeschwiegene Tatsache, dass die Zahl der Tötungsdelikte gegen Kinder allgemein – die meisten werden übrigens von Familienangehörigen begangen – in Deutschland seit etwa zwanzig Jahren sehr deutlich zurückgeht.
    Sexualstraftaten wie die Vergewaltigung Erwachsener und der sexuelle Missbrauch von Kindern sind in Deutschland nicht häufiger geworden. Sie werden allerdings erfreulicherweise immer häufiger angezeigt. Dies liegt unter anderem daran, dass seit einigen Jahren Kinder in Schulen und Jugendeinrichtungen über sexuellen Missbrauch informiert werden und erwachsene Vergewaltigungsopfer Beratung und Unterstützung – beispielsweise bei Organisationen wie dem »Weißen Ring« – erhalten können.
    Sehr vielen Opfern fällt es dennoch weiterhin schwer, solche Sexualstraftaten anzuzeigen, weil die Täter aus ihrem nahen Umfeld stammen. Kinder werden in den allermeisten Fällen durch Bezugspersonen wie Verwandte, Freunde der Familie, Lehrer oder Betreuer missbraucht. Auch Vergewaltigungen von Frauen werden am häufigsten von Männern begangen, welche die Opfer persönlich kennen. Oft sind es Partner, Verwandte, Freunde oder Bekannte. Umso erschreckender ist die Tatsache, dass Vergewaltigung durch den Ehepartner in Deutschland erst seit 1997 strafbar ist. Aber auch dadurch werden heute mehr Vergewaltigungen angezeigt als früher.
    Leider verkaufen sich Berichte über sexuellen Missbrauch von Kindern und Vergewaltigung von Erwachsenen aber immer noch viel besser, wenn sie von Fremden – also dem »bösen schwarzen Mann«, der vielen Menschen im Kopf herumspukt – begangen werden. Ausnahme sind Missbrauchstaten in kirchlichen Organisationen, Heimen und Schulen, die seit einigen Jahren für Schlagzeilen sorgen. Weil also auch bei Sexualstraftaten die Berichte nicht ansatzweise im richtigen Verhältnis zu den wirklichen Fällen stehen, ist in der Bevölkerung die »gefühlte« Gefahr, dass fremde Männer besonders oft die Täter sind, viel größer, als es real der Fall ist.

Gutachter als Sündenböcke, Täter als unverbesserliche Bestien
– Hetzkampagnen gegen Therapie von Straftätern
    Leider lässt sich auch die Verunglimpfung der Therapie von Straftätern in den Medien immer gut verkaufen. Das löst beim Leser nicht nur Angst und Hass gegenüber den Tätern aus, sondern liefert ihm auch noch einen kleinen »Bonus«: Er kann diese Gefühle im selben Tonfall und mit denselben Pseudoargumenten ventilieren, vorzugsweise in der Gruppe, beispielsweise am Arbeitsplatz oder in der Kneipe.
    So gibt es immer mal wieder Hetzkampagnen gegen forensische Psychiater und Psychologen, die als Therapeuten und Gutachter arbeiten. Manchmal reicht es schon aus, dass ein forensischer Experte in einem Interview versucht, die Ursachen für psychische Besonderheiten eines Täters mithilfe seiner Lebensgeschichte zu erklären. Schnell wird dies fälschlicherweise so aufgefasst und dargestellt, als wollten Psychologe oder Psychiater schwere Straftäter »entschuldigen«. Ein Problem, das ich, wie schon beschrieben, aus eigener Erfahrung kenne.
    Mir sind Fälle bekannt, in denen Gutachter daraufhin Drohbriefe erhielten, von den üblichen Beleidigungen im Internet ganz zu schweigen. Wenn schon die Beschreibung bloßer Ursachensachen für psychische

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