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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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Menschen in ihrem Empfinden, was richtig und was falsch, was gut und was böse ist, geformt. Da kriminelle Psychopathen weder Mitgefühl noch Schuldgefühl kennen, haben sie auch keinen unmittelbaren Grund, sich an gesellschaftliche Regeln zu halten und auf andere Rücksicht zu nehmen. Damit fehlen ihnen die Grundbausteine, die das Gewissen normaler Menschen ausmachen. Ohne Gewissen empfinden sie keine Verpflichtung, moralische Regeln als bindend anzusehen. Prichards Begriff »moralischer Irrsinn« ist daher durchaus zutreffend für ihren Zustand.

Wie ein Blatt im Wind
    Der US-amerikanische Psychiater Hervey Cleckley fasste als erster, in seinem 1941 veröffentlichten Buch »The Mask of Sanity« (»Die Maske der psychischen Gesundheit«), eine Sammlung von Fallbeispielen psychopathischer Menschen zusammen. Cleckley leitete aus den gemeinsamen, auffälligen Eigenschaften von 13 Männern und zwei Frauen eine Merkmalsliste ab, die zur Basis der modernen wissenschaftlichen Beschreibung von Psychopathen wurde. Da die von ihm untersuchten Menschen mit psychopathischen Eigenschaften aber nicht alle straffällig geworden waren, berücksichtigte er in seiner Merkmalsliste hauptsächlich Eigenschaften, die sich nicht eindeutig auf kriminelle Verhaltensweisen beziehen.
    Ein Psychopath, der alle Merkmale nach Cleckley in sich vereint, lässt sich so beschreiben:
    Er ist mittelmäßig bis hochintelligent. Anderen Menschen gegenüber kann er sehr charmant und einnehmend sein, unter anderem weil er sie mit schnellen und klug wirkenden Antworten von seinen Fähigkeiten überzeugt. Er nimmt die jeweilige Situation realistisch, ohne auffällige Verzerrungen wahr, weshalb ihn andere Menschen auf den ersten Blick als sachlich und vernünftig einschätzen. Da er weder ängstlich noch nervös wird, wirkt er sehr gelassen und strahlt unerschütterliche Ruhe aus.
    Seine Mitmenschen sind daher verwirrt, wenn sie bemerken, dass er sehr unzuverlässig in vielen Dingen ist und scheinbar kein Pflichtgefühl besitzt. Egal wie sehr er andere enttäuscht oder verletzt, er scheint sich nicht aufrichtig dafür zu schämen oder schuldig zu fühlen. Menschen, die sich ihm gegenüber vertrauensvoll, freundlich und hilfsbereit verhalten, merken früher oder später, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht, dass er sich unaufrichtig oder sogar hinterhältig verhält.
    Im Kontrast zu der von ihm ausgestrahlten Ruhe steht sein unzuverlässiges und unvorhersehbares Verhalten. Er scheint sich von neuen Situationen ungewöhnlich stark beeinflussen zu lassen und dann spontan das zu tun, wozu er gerade Lust hat. Deshalb verhält er sich oft planlos. Seine Stimmung ist auffällig wechselhaft. Eben noch gut gelaunt, kann er im nächsten Moment aufbrausend, wütend und gekränkt reagieren, wenn etwas nicht so läuft, wie er es gerne hätte. Zu dem positiven Bild, das er anderen von sich vermitteln will, passt natürlich nicht, dass er manchmal hässliche Dinge zu anderen sagt oder ihnen unschöne Streiche spielt – diese Verhaltensweisen zeigt er besonders, wenn er durch Alkohol enthemmt ist.
    Der psychopathische Mensch lernt nichts aus schlechten Erfahrungen, noch nicht einmal aus Strafen, sondern verhält sich, davon vollkommen unbeeindruckt, immer weiter nach seinem altbekannten Muster. Andere Menschen merken auf lange Sicht, dass er eigentlich nur an sich selbst denkt und keine tiefe gefühlsmäßige Verbindung – sei es Liebe oder Freundschaft – eingeht. Auch sexuelle Beziehungen bleiben für ihn immer unverbindlich und ohne ernsthafte Bindung an einen Partner. Seine Gefühle bleiben stets oberflächlich und je nach Situation wechselhaft. Dass er andere damit irgendwann abschreckt, kann er nicht wirklich nachvollziehen.
    Wie ein Blatt im Wind lässt er sich von Lebenssituation zu Lebenssituation treiben, er benutzt die Menschen auf seinem Weg und lässt sie meist enttäuscht und verletzt zurück. Zwar gaukelt er sich selbst und anderen hohe Ziele und große Pläne vor, doch nichts davon setzt er wirklich und mit eigener Mühe um. Obwohl er es sich mit vielen Menschen verscherzt und in vielen Dingen, die er angeht, früher oder später scheitert, wirft ihn das nicht aus der Bahn. Er würde niemals ernsthaft versuchen, sich das Leben zu nehmen. Stattdessen hält er nach jedem Rückschlag Ausschau nach neuen Opfern, die sich von ihm einwickeln und beeinflussen lassen. Hat er von ihnen bekommen, was er wollte – Anerkennung, Sex, Geld oder sonstige

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